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DER KONSTRUKTEUR 1-2/2020

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DER KONSTRUKTEUR 1-2/2020

ANTRIEBSTECHNIK

ANTRIEBSTECHNIK Schaeffler das Know-how unterschiedlicher Unternehmensbereiche ineinandergreift. Denn der Automotive-Bereich war 2011 auf der Suche nach einer Lösung für einen kompakten elektromechanischen Kupplungsaktuator gewesen. Die Industriesparte kommunizierte also: Hallo, wir haben da etwas! Den PWG. Und siehe da, die Vernetzung brachte den Durchbruch. Dank der hochseriellen Automotive-Fertigung kann der PWG für industrielle Anwendungen auf Marktpreisniveau angeboten werden. „Die enorm hohen Stückzahlen dieser Aktuatoren erlaubten uns die notwendigen Investitionen in eine prozesssichere und spanlose Fertigung“, berichtet Dietmar Rudy. GESUCHT – GEFUNDEN Bei der Konzeption des Spindelantriebs könnte man sich nun für die weit verbreitete Bauart Kugelumlaufspindel entscheiden, allerdings sind Steigungen unter 5 mm hier nicht erhältlich, sodass ein zusätzliches Getriebe erforderlich wird, um mithilfe einer großen Gesamtübersetzung die geforderten Axialkräfte von 15 kN aufbringen zu können. Damit der Antrieb aus Motor, Getriebe und Kugelumlaufspindel nicht zu lang gerät, ist man gezwungen, den Motor neben die Spindel zu platzieren. Klaus Huber erklärt zu dieser Variante: „Konzeptionell ist ein solcher Aufbau nicht besonders TITELSTORY PRODUKTE UND ANWENDUNGEN GERADE RECHTZEITIG Diese Entwicklung kam damals wiederum gerade recht für den Maschinenbauer BalTec. 2012 begann der Hersteller, der sich auf pneumatisch sowie hydraulisch angetriebene Nieteinheiten spezialisiert hatte, mit systematischen Untersuchungen, wie eine elektrisch angetriebene Nietmaschine konzeptionell aussehen könnte und welche USPs sich generieren lassen. „Unser Anliegen war es, die Konstruktion in dem identischen Bauraum der pneumatischen BalTec-Maschinen zu realisieren, sodass der Grundaufbau mit der Ständerkonstruktion im Wesentlichen beibehalten werden kann“, erklärt Klaus Huber, Product Manager bei BalTec. „Damit sollte sichergestellt sein, dass die Anlagenbauer bei Bedarf sehr leicht auf die neue Technologie umrüsten können.“ Bei pneumatischen Nietmaschinen mit Prozesskontrolle wird der Verformungsprozess – und dieser bestimmt ja die Qualität der Verbindung – mit den Parametern Kraft, Weg und Zeit eingestellt. Daraus ergeben sich zwangsläufig die Anfahrgeschwindigkeit, die Auftreffgeschwindigkeit auf den Niet und auch die Zykluszeit. Im Vergleich dazu lassen sich bei einer servogesteuerten Maschine die Bewegung des Werkzeugs und der Verformungsprozess weitgehend frei definieren. 02 Starkes Bauteil: Gesamtsteigungen von unter 1 mm und eine hohe Tragfähigkeit prädestinieren den Planetenwälzgewindetrieb PWG für besonders leistungsdichte Linearaktoren – sein Herzstück sind die Planeten GESUCHT WAR EIN KLEINER GEWINDE- ANTRIEB, DER MIT NIEDRIGEN ANTRIEBSMOMENTEN MEHR AXIAL- KRAFT PRO BAURAUM ERZEUGEN KANN ALS VORHERIGE SYSTEME steif – aber gerade die Steifigkeit des Antriebes ist entscheidend für eine präzise und sehr dynamische Prozesskontrolle.“ Eine Lösung dieses Konflikts besteht in einer tragfähigen Spindel mit großer Übersetzung, d. h. sehr kleiner Gesamtsteigung. Dann kann man auf ein zusätzliches Getriebe verzichten und es entsteht ein steifer und spielfreier Antrieb mit einem sehr direkten Kraftfluss vom Motorläufer über die Spindelmutter auf die Spindel und das Werkzeug. Für die Realisierung dieses Konzeptes war die Spindel also ganz entscheidend. Und hier kommt der Planetenwälzgewindetrieb ins Spiel: Der BalTec-Produktmanager erinnert sich: „Das Angebot an Spindeln mit sehr kleinen Gesamtsteigungen und dennoch hoher Trag- 14 DER KONSTRUKTEUR 1-2/2020

ANTRIEBSTECHNIK fähigkeit war nicht besonders groß. Rollengewindetriebe mit Rollenrückführung bieten relativ kleine Steigungen und kamen noch in die engere Auswahl. Der Ein- und Auslauf der Rollen begrenzt jedoch das Drehzahlniveau, sodass die gewünschte Vorschubgeschwindigkeit nicht erreicht wird.“ Klaus Huber ergänzt: „Ich suchte schließlich in Fachzeitschriften nach ähnlichen Entwicklungen und Alternativen. Genau zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Schaeffler einen Artikel über den PWG. Die beschriebenen Eigenschaften und technischen Daten passten sehr gut zu unserem Vorhaben, sodass ich mit dem Außendienst von Schaeffler sofort Kontakt aufnahm.“ 03 Schlankes Antriebskonzept: Für die elektrisch angetriebene Nieteinheit wird der Planetenwälzgewindetrieb PWG (grün) in den Servomotor (schwarz-gelb) integriert, ein zweiter Motor (blau) für den Antrieb des Werkzeugs über das Prozessgetriebe ist koaxial angeordnet und axial verschiebbar HUMAN CONNECTIVITY Was für eine Geschichte: Eine Anforderung aus der Industrie wird mithilfe von in einem Roboter im Weltall eingesetzter Technik gelöst. Wirtschaftlich umsetzbar wird das alles aber erst, als auch der Automotive- Bereich Bedarf nach einer derartigen Lösung anmeldet. Da zeigt sich mal wieder, wie wichtig die Fähigkeit zur Vernetzung heute ist. Nicht nur auf der Ebene der Komponenten und Maschinen, sondern vor allem auch beim Menschen. MARTINA KLEIN, stv. Chefredakteurin SCHLANKER, KOMPAKTER AUFBAU Philippe Meienberg, Leiter Technik bei der BalTec Maschinenbau AG und Klaus Huber, betonen zum Ablauf des Projektes: „Als Entwickler in einem relativ kleinen Unternehmen hatten wir Bedenken, mit einem sehr großen Partner eine völlig neue Lösung zu entwickeln. Diese Scheu erwies sich jedoch als unbegründet. Wir haben die unkomplizierte Zusammenarbeit sehr zu schätzen gelernt. Schon die ersten Muster wurden genau passend zu unserer Anwendung mit darauf abgestimmten Fertigungstoleranzen geliefert. Die Anpassung des Spindelendes sowie die Integration der Spindelmutter und des Überlastschutzes in den Motor lief völlig problemlos.“ Der sehr kompakte Aufbau des Planetenwälzgewindetriebs PWG ermöglichte es BalTec, diesen in den Servomotor zu integrieren und die Spindel durch den Motor zu führen, wodurch axial sehr wenig Bauraum beansprucht wird. Dies eröffnete wiederum die Möglichkeit, den zweiten Antriebsmotor für das Prozessgetriebe koaxial zur Spindelachse zu platzieren. So entstand ein schlanker, kompakter Aufbau mit einem sehr direkten und steifen Kraftfluss. Die daraus resultierende exakte Steuerung der Zustellbewegung und den weiten Kraftbereich bis 15 kN nutzte BalTec geschickt, um mit einer einzigen Maschine die Verbindungstechnologien Taumelnieten, Radialnieten und Rollieren anbieten zu können. EINE MASCHINE ERSETZT DREI Aufgrund der vielen Prozessparameter, die sich mit der Nieteinheit Electric variieren lassen und mit dem weiten Kraftbereich des Spindelantriebs kann man mit einer einzigen elektrischen Nietmaschine etwa drei pneumatisch angetriebene Maschinen ersetzen. Ein weiterer interessanter Aspekt der elektrischen Lösung: Einmal optimierte Prozessparameter können auf jede andere Maschine – egal wo sie sich auf der Welt befindet – datentechnisch übertragen werden und erzeugen die exakt gleichen Ergebnisse. Wolfram Hau, Programm-Manager bei Schaeffler, über das Projekt Electric: „Es war sehr spannend zu sehen, wie man bei BalTec auf dem sprichwörtlich weißen Papier eine neue Maschine ganz speziell auf einen Prozess hin entwickelt hat. Für uns ist diese Anwendung des Planetenwälzgewindetriebs eine Bestätigung dafür, welche enorme Kraftdichte Linearaktoren mit dem PWG erreichen können.“ So kann der PWG in der Nietmaschine, wie in vielen anderen Anwendungen auch, große Vorteile erschließen, dem Rotex-Roboter und der Space-Shuttle-Mission sei Dank – und nicht zuletzt den Schaeffler Ingenieuren und ihrer Vernetzung über verschiedene Fachbereiche hinweg! Bilder: Aufmacher Hintergrund: Anastasia - stock.adobe.com; 03 Nietmaschine: BalTec Maschinenbau AG, Sonstige: Schaeffler AG www.schaeffler.de DER KONSTRUKTEUR 1-2/2020 15