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DER KONSTRUKTEUR 11/2015

DER KONSTRUKTEUR 11/2015

ANTRIEBSTECHNIK Offen

ANTRIEBSTECHNIK Offen nach beiden Seiten Motion Control mit zentraler oder dezentraler Intelligenz Oliver Barth Fortschritte in der Steuerungstechnik, bei Feldbussen und Mikrocontrollern bringen regelmäßig neue Aspekte in die Diskussion über Vor- und Nachteile zentraler oder dezentraler Ansteuerung von Antriebsverstärkern. Gemeint ist dabei nicht deren Platzierung, sondern ihre eigentliche Funktion: die Bewegungsgenerierung. Soll eine zentrale, leistungsstarke Motion-Steuerung den Hauptteil der Rechenarbeit zur Sollwertvorgabe übernehmen, oder soll jeder einzelne Antriebsverstärker für die Bewegungsgenerierung seiner Achse verantwortlich sein? In den vergangenen zehn Jahren war es vor allem die Weiterentwicklung der Feldbusse, die neue Perspektiven eröffnet hat. Durch hohe Bandbreite und Echtzeitfähigkeit sind Ethernet-basierte Feldbusse heute leistungsstarke Kommunikationssysteme. Sie ermöglichen es, einer Motion Control- Steuerung im Takt von wenigen Millisekunden bis hin zu einigen hundert Mikrosekunden Sollwerte für eine Vielzahl von Achsen über den Feldbus zu übertragen und Istwerte sowie Statusinformationen zurückzuerhalten. Der Antriebsverstärker kann – aufgrund extrem verbesserter Prozessorleistungen – sehr schlank gehalten werden und ist seitens seiner Rechenleistung im Wesentlichen mit Regelungs- und Überwachungsaufgaben beschäftigt. Dieses Antriebskonzept scheint für fast alle Motion-Anwendungen geeignet zu sein, da die zentrale Steuerung von der einfachen Einzelachs-Ansteuerung bis zur komplexen Bahnsteuerung alle Bewegungsformen generieren kann. Es stellt sich daher die Frage, welche Berechtigung dezentrale Steuerungstechnologien weiterhin besitzen. tische Bauelemente und PHY-Halbleiter müssen für hochfrequente Signale und deren Schirmung geeignet sein – können allerdings oft aus der Stückzahlproduktion der Office-Welt verwendet werden. Im Antriebsverstärker als Feldbus-Slave ist entweder ein spezieller ASIC oder ein FPGA-Core erforderlich, der den Kommunikationsstack in Echtzeit abarbeiten kann. Die Vorteile von zentraler und dezentraler Ansteuerung sind in einem Serovregler vereint Weiterhin wird für die Berechnung komplexer Bewegung auch eine entsprechend leistungsfähige Motion-Steuerung benötigt. Bibliotheksfunktionen für spezielle Auf- Dr.-Ing. Oliver Barth, WITTENSTEIN motion control GmbH, Igersheim Zentral oder dezentral Zunächst hat zentrale Steuerungstechnik ihren Preis: Ethernet-basierte Feldbusse benötigen – um die Anforderungen der Bitübertragungsschicht des OSI-Referenzmodells für Netzwerkprotokolle zu erfüllen – hochwertige Komponenten in der elektrischen Anbindung. Kabel, Steckverbinder, magne- 01 Die Antriebsverstärker zeichnen sich messtechnisch durch eine hochauflösende Stromregelung und eine schnelle Strommessung aus 38 Der Konstrukteur 11/2015

02 Die Bewegung einzelner, nicht-synchronisierter Achsen sowie komplexe Einzelachsbewegungen lassen sich mit dezentralen Steuerungskonzepten umsetzen gaben stehen oft nicht im Standard zur Verfügung und müssen gesondert lizenziert werden. Die Frage nach der Berechtigung dezentraler Steuerungstechnologien kann somit umformuliert werden: In welchen Anwendungen ist zentrale Motion-Steuerung nicht notwendig? Zu nennen ist zunächst die Bewegung einzelner, nicht-synchronisierter Achsen, die problemlos dezentral, d. h. im Antriebsverstärker berechnet werden kann. Darüber hinaus sind auch komplexe Einzelachsbewegungen wie z. B. Pressvorgänge mit überwachter Kraftgrenze realisierbar, wenn erweiterte Fahrsatztabellen vorliegen. Im Falle mehrerer synchronisierter Achsen lassen sich die Bewegungen noch gleichzeitig über ein Synchronisierungssignal der Steuerung starten. An seine Grenzen stößt das dezentrale Konzept jedoch, wenn die Sollwerte für mehrere Achsen zyklisch übertragen werden – wie dies z. B. bei einer CNC-Bahnsteuerung oder einer Robotersteuerung der Fall ist. Ausführungskonzepte dezentraler Steuerungstechnik Dezentrale Steuerungstechnik kann in verschiedenen Ausbaustufen realisiert werden. Die einfachste Form ist eine Fahrsatztabelle, die in Listenform alle für eine Positionierung notwendigen Parameter enthält. In einer Zeile werden Zielposition, Geschwindigkeit und Beschleunigungen definiert. Die einzelnen Zeilen können über Sprungbefehle verknüpft werden, sodass komplexe Bewegungsabfolgen möglich sind. Zum Start einer Bewegungabsfolge wird eine Listenposition über den Feldbus oder einen digitalen Eingang angewählt. Für komplexere Aufgaben wird zusätzliche eine Ablaufsteuerung mit Funktionen wie „Parameter setzen“, „Parameter modifizieren“, „Vergleichen“ und „Sprüngen in Abhängigkeit bestimmter Zustände“ benötigt. Dies ist mit der Erweiterung der Fahrsatztabelle um die entsprechenden Befehle möglich, wobei ein Listeneintrag einem Befehl entspricht. Im Antriebsverstärker wird Zeile für Zeile der Kommandoliste interpretiert und ausgeführt. Beispiele für solche komplexe Motion-Aufgaben sind Greifvorgänge, die aus einem positions- und einem kraftgeregelten Anteil bestehen. Programmierung für High End-Anforderungen Wünscht der Anwender maximale Flexibilität, dann bietet eine Hochsprache oder beispielsweise ein an eine Hochsprache angelehnter, strukturierter Text nach EN 61131- 3:2014-06 „Speicherprogrammierbare Steuerungen - Teil 3: Programmiersprachen“ die besten Möglichkeiten. Das Programm wird auf einem PC editiert, kompiliert, auf den Antriebsverstärker übertragen und ausgeführt. Der Antriebsverstärker muss somit eine Laufzeitumgebung für die in der Hochsprache erstellten Programme besitzen. 03 In den Fahrerlosen Transportfahrzeugen (FTS) kommt der Servoregler mit dezentraler Ansteuerung zum Einsatz Zukunftssichere Automatisierung Intelligente und vernetzte Systeme Innovative Hard- und Software- Entwicklungen Offene Kommunikationsplattformen Langfristiges Lifecycle-Management www.baumueller.de Nürnberg, 24.–26.11.2015 Halle 1, Stand 560 be in motion