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DER KONSTRUKTEUR 11/2015

DER KONSTRUKTEUR 11/2015

WERKZEUGTECHNIK I

WERKZEUGTECHNIK I INTERVIEW Grenzen neu definieren Stanzspezialisten sprechen über Co-Engineering, Angsttoleranzen und Werkstoff-Kompetenz Entscheidet der Konstrukteur sich dazu, Stanzteile von einem Spezialisten fertigen zu lassen, erhält dieser die Konstruktionszeichnung – und fertig? Es kann sinnvoll sein, anders vorzugehen, mit dem Präzisionshersteller enger zusammenzuarbeiten. Ceo Daniel Brügger und Konstruktionsleiter Marco Costa von dem schweizerischen Stanzexperten Etampa verraten im Interview, was es zu bedenken gilt und welche Vorteile Co-Engineering erschließen kann. Wie beginnt für Sie klassischerweise ein Projekt? Daniel Brügger: Am Anfang steht immer eine Zeichnung, die uns in einem unterschiedlich frühen oder späten Produktoder Teile-Planungsstadium erreicht. Sie ist Grundlage des zu fertigenden Teils und muss gründlich auf Herz und Nieren geprüft werden. Viele Kunden legen dabei großen Wert auf das aktive Co-Engineering. Unsere Expertise und technischer Input werden vor allem deshalb geschätzt, weil Produktionen dadurch optimaler und auch schneller realisierbar sind. Voraussetzung dafür ist, dass wir die Anforderungen und Funktionsweise der zu fertigenden Teile genauestens verstehen, erst dann können wir entsprechende Funktionstoleranzen und Prüfvorschriften festlegen. Sie sind also generell in den Entwicklungsprozess Ihrer Kunden einbezogen? Marco Costa: Natürlich gibt es auch Kunden, die auf das Co-Engineering verzichten und ihre vermeintlich fertigen Zeichnungen einsenden. Die Betonung liegt auf „vermeintlich“, weil bei nicht wenigen Zeichnungen Optimierungsbedarf besteht, der sich unmittelbar auf den Endpreis und auf den Fertigungsablauf auswirkt. Die Vollständigkeit der Skizzen und Entwürfe hängt natürlich eng mit dem Herstellungsverfahren des zu fertigenden Teils zusammen, jedoch kann man davon ausgehen, dass teilweise erheblich nachgearbeitet werden muss. Das ist natürlich auch dadurch bedingt, dass der Kunde oftmals nicht genügend Erfahrung und zu wenig Detailkenntnisse in der Stanz- und Feinschneidetechnologie hat. Was bringt das Co-Engineering konkret – wo und wie können Sie helfen, Vorteile zu erschließen? Brügger: Ein gemeinsam erarbeitetes, stanzoptimiertes Design hat einen nachhaltigen Einfluss auf die Werkzeugkonzeption, auf Nachschleifzyklen und Lebensdauer der Werkzeuge. Und auch die Auswirkungen auf die Produktion an sich sind nicht zu unterschätzen. Wir sagen unseren Kunden Bescheid, wenn sich durch geringfügige Veränderungen an der ursprünglichen Teileplanung die Produktivität deutlich erhöhen würde. Und wir weisen selbstverständlich darauf hin, wenn wir das zu fertigende Teil durch veränderte Toleranzen oder andere Materialien günstiger produzieren könnten. Immer wieder stellen wir fest, dass Kunden die Toleranzen an den zu fertigenden Teilen viel zu klein wählen und das kostet richtig viel Geld – allein schon durch das maßvolle Anpassen der sogenannten Angsttoleranzen auf einen normalen Wert haben wir unseren Kunden immer wieder richtig viel Bares einsparen können. Welche Rolle spielt die Materialauswahl? Costa: Vielen Kunden ist gar nicht klar, dass die Auswahl des richtigen Materials für den Stanz- oder Feinschneideprozess ein sehr erheblicher Schlüssel zum Erfolg ist. Manche Anforderungen schreiben beispielsweise vor, dass als Material Stahl verwendet werden muss, der anschließend verzinkt werden soll. Das geht meistens aber einfacher und kostengünstiger, indem man anstelle von Stahl rostfreien Stahl verwendet und sich dadurch das Verzinken sparen kann, zumal ein nachträgliches Verzinken je nach Gegebenheit wieder ganz andere Aufgabenstellungen hervorrufen könnte. Generell gilt, dass man sich bei der Verwendung von rostfreien Stählen 01 Daniel Brügger (links), CEO, und Marco Costa (rechts), Konstruktionsleiter, Etampa AG, Grenchen (CH) 56 Der Konstrukteur 11/2015

INTERVIEW I WERKZEUGTECHNIK gesagt haben, dass wir uns zur Machbarkeit verpflichten, dann können wir diese Aussage später nicht mehr widerrufen – schon gar nicht mit dem Hinweis auf eine zuvor unfertige oder unzureichende Zeichnung. Es ist unsere Verantwortung, schon im Vorfeld alle Konstruktions- und Produktionseventualitäten in Betracht zu ziehen und diese bei der Aussage zur Machbarkeit entsprechend zu berücksichtigen. Dazu gehört auch, dass man beurteilen muss, ob die gewünschten Umformungen, die das zu fertigende Teil mit sich bringt, überhaupt schlüssig und auch realisierbar sind, und ob die einzelnen Arbeitsschritte auch in der richtigen Reihenfolge angelegt sind. Wenn beispielsweise ein Teil gebogen, quergelocht, tiefgezogen und geprägt werden soll, dann ist es sehr entscheidend, welcher dieser Arbeitsvorgänge zuerst und welcher zuletzt erledigt werde. Erleben Sie einen Wandel in Ihrer Branche? 02 Feinabstimmung und Abgleich von Werkzeug mit Zeichnung eine weitere Oberflächenbehandlung der Stanz- oder Feinschneideteile oftmals ersparen kann: Rostfreie Stähle sind – das liegt in der Natur der Sache – korrosionsbeständig. Sie sind aber auch sehr gut lagerbar und zuweilen auch, je nach Dicke des verarbeiteten Materials und je nach Anforderungen an das Stanzteil, besser stanzbar als beispielsweise Buntmetalle. Die Konstruktionszeichnung ist angefertigt, die Materialauswahl getroffen – was geschieht dann? Costa: Der nächste wichtige und vor allem unabdingbare Schritt für uns ist die Machbarkeitsanalyse des zu fertigenden Teils. Damit übernehmen wir eine sehr große Verantwortung, und auch hier gilt, dass wir die von den Kunden eingereichten Zeichnungen nicht immer als gegeben ansehen können. Ein Teil der Skizzen muss prozessbedingt hinterfragt werden und ist nicht so anwendbar wie eingereicht. Das Thema ist nicht zu unterschätzen: es gibt – herstellungsabhängig – unvollständige Zeichnungen, nicht alle Materialien sind komplett definiert, und auch angegebene Materialstärken oder gewünschte Toleranzen erfordern genaueste Rückfragen unsererseits. Brügger: Denn eines steht fest: Wir haben genau einen Versuch. Wenn wir einmal Brügger: Die Werkzeuge und eben auch die Anforderungen an die Werkzeuge haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich geändert. Die Komplexität ist immens gestiegen. Ein einziges Werkzeug vereint immer mehr Schritte, gleichzeitig werden die zu fertigenden Teile immer anspruchsvoller, und die Anforderungen an die Teile steigen. Diese Entwicklung wird sich in den kommenden Jahren noch verstärken. Vor neuen Herausforderungen sind wir noch niemals zurückgeschreckt, ganz im Gegenteil. Neue Anforderungen brauchen neue Konzepte, und konzeptionelles Arbeiten gehört eindeutig zu unseren Stärken. Wir freuen uns darauf, die Stanz-Grenzen neu zu definieren. www.etampa.ch Federnvielfalt ab Lager oder individuell federnshop.com/vielfalt (+49) 07123 960-192