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DER KONSTRUKTEUR 12/2017

DER KONSTRUKTEUR 12/2017

KONSTRUKTIONSELEMENTE

KONSTRUKTIONSELEMENTE GLEITEN ODER ROLLEN? PRODUKTE UND ANWENDUNGEN Spätestens seit der Erfindung des Rads stellt sich diese Frage wenn es um Bewegung geht grundsätzlich: Gleiten oder Rollen? Pauschal lässt sie sich nicht beantworten. Wie sieht es denn bei Linearlagern und Energieketten aus? Ein klassisches Beispiel für die Frage „Rollen oder Gleiten?“ ist die Lineartechnik mit ihren Gleit- und Wälzlagern. Historisch betrachtet sind Gleitlager die einfachste und älteste Form der Lagerung. Schon die alten Ägypter transportierten die Steinblöcke für ihre Pyramiden auf Schlitten, die über speziell gehärtete Transportrampen und mit einer Schmierung aus Schlamm und Wasser gezogen wurden. Auflagenfläche sowie Schlitten und Seile als Führung für eine geradlinige, translative Bewegung. Dieses uralte Prinzip gilt im Grunde noch heute für die Werkzeugführung im modernen Maschinen- und Anlagenbau. Die große Kontaktfläche garantierte eine hohe statische Tragfähigkeit, bedeutete aber zugleich einen enormen Bewegungswiderstand, der nur durch einen massenhaften Einsatz menschlicher und tierischer Zugkraft überwunden werden konnte. KUGELLAGER REDUZIEREN REIBUNG Mit der Industrialisierung gewannen Gleitlager und Wälzlager aus Metall zunehmend an Bedeutung. Die Entwicklung von Wälzlagern beruhte auf dem Bestreben, die Reibung und damit die notwendige Antriebskraft weiter zu verringern. Der Flächenkontakt wurde zu einem Punktkontakt vermindert und es konnte eine reibungsarme Führung der Welle oder Achse erreicht werden. Durch die geringere Reibung konnte ebenfalls die Wärmeentwicklung reduziert werden. Auch der Verschleiß und der Bedarf an Schmiermitteln waren im Vergleich zu Gleitlagern geringer. Elementarer Bestandteil aller Wälzlager sind die Wälzkörper. Die am häufigsten verwendete Bauart sind dabei Kugeln, die meist aus Stahl gefertigt werden. Bei Linearkugel lagern werden die Wälzkörper in einer Kugelreihe in einem axialen Umlauf bewegt. Die Lastaufnahme erfolgt beim linearen Umlauf immer über die innere Kugelführungsreihe, während die äußere entgegen der Bewegung entlastet zurückgeführt wird. Dabei gilt die Regel, dass, je mehr Kugeln eingesetzt werden, sich die Belastbarkeit erhöht, damit aber auch Reibung und Verschleiß. Der gegenseitige Kontakt der Kugeln erfordert eine permanente Schmierung der Kugellager. Sie sind deshalb wartungsanfällig und besonders empfindlich gegen Verschmutzung und Feuchtigkeit, GLEITELEMENTE UND GEGENLAUF- PARTNER AUS TRIBOKUNSTSTOFFEN WEISEN OPTIMALE VERSCHLEISS- UND REIBWERTEIGENSCHAFTEN AUF weshalb sie häufig mit Deck- und Dichtscheiben ausgestattet werden. Der innere Aufbau aus Kugeln und Käfig verursacht außerdem eine relativ hohe Anfälligkeit gegen externe Stöße und Schwingungen. Folglich ist ihr Lauf mitunter weder vibrations- 16 DER KONSTRUKTEUR 12/2017

KONSTRUKTIONSELEMENTE 01 01 Gleiten (rechts) vs. Rollen (links): Kraftverteilung 02 Laufruhige aber gleichzeitig sehr leichtgängige Bewegung: Hybridlager sollen die Vorzüge von Gleit- und Rollenlagern verbinden noch geräuscharm. Auch die mögliche Laufgeschwindigkeit wird durch die Massenträgheit der Kugeln begrenzt. Insgesamt waren Kugellager aber eine bedeutende technische Neuerung, die solange alternativlos blieb, nicht spezielle Materialien die Gleit lager auf eine neue Stufe hoben. TRIBOKUNSTSTOFFE MACHEN GLEITEN ATTRAKTIVER Durch die Entwicklung von Hochleistungskunststoffen eröffneten sich im Bereich der Gleitlager neue Möglichkeiten. Tribologisch optimierte Materialcompounds erlauben inzwischen die Herstellung von Polymergleitlagern, die gänzlich ohne Schmierung auskommen. Gleitelemente und Gegenlaufpartner aus Tribokunststoffen weisen optimale Verschleiß- und Reibwerteigenschaften auf. Im Gegensatz zu Metalllagern, die korrosionsanfälllig sind und deshalb gerade im Außeneinsatz ständig geölt oder gefettet werden müssen, sind Kunststofflager universell verwendbar. Sie sind gegen Feuchtigkeit wie Hitze gleichermaßen widerstandsfähig. Anlagen, die mit Polymergleitlagern ausgestattet sind, profitieren von der hohen Lebensdauer und der Verschleißfestigkeit der Kunststoffe. Kostspielige Stillstandszeiten durch Wartung oder Ausfall der Maschinen entfallen. Gleitbuchsen sind anwendungsfreundlicher, betriebssicherer im Lauf und damit letztlich auch kostengünstiger als Kugelbuchsen. In der Auseinandersetzung „Gleiten versus Rollen“ sind daher heute moderne Polymergleitlager die klaren Punktsieger. Natürlich haben Wälzlager dennoch weiterhin ihre Daseinsberechtigung, bieten Vorteile in Präzision, Reibwerten sowie Bewegungswiderstand, und es gibt Einsatzfälle, da führt kein Weg an ihnen vorbei. 02 HYBRIDLAGER: GLEITEN UND ROLLEN KOMBINIERT Rollen und Gleiten, beide Technologien haben ihre Vorzüge. Warum also nicht diese miteinander verbinden? Genau das ist die Idee hinter den leise und leicht laufenden Hybrid-Linearlagern von Igus. Für den äußerst leichtgängigen sowie beinahe geräuschlosen Lauf sorgt das Konzept mit zwei schräg angesetzten Rollen aus wartungsfreien Hochleistungskunststoffen. In Hauptlastrichtung nehmen die Rollen das Gewicht auf und garantieren geringe Verschiebekräfte für die Handbedienung. Treten Missbrauchs- oder Querkräfte auf, werden diese sanft über die Gleiter aufgefangen, auch dann ist somit ein leiser geführter Lauf gewährleistet und Beschädigungen der Schiene sind ausgeschlossen. Die Last wird verliersicher auf der Schiene verfahren, weshalb ein Abspringen von der Schiene unmöglich ist und gleichzeitig die Verschiebung hoher Lasten bei minimalem Kraftaufwand möglich ist – und alles absolut schmiermittelfrei. Aufgrund des geringen Verschiebewiderstands der Hybridlager konnte die notwendige Verschiebekraft um den Faktor 5 verringert werden. Sie sind daher ideal für den Handbetrieb geeignet, also überall dort, wo die Laufzeiten nicht Automatisierungsdimensionen annehmen und nicht über 500 km verfahren werden. Da Lasten von 10 bis 100 kg problemlos per Handverschiebung bewegt werden