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DER KONSTRUKTEUR 7-8/2019

DER KONSTRUKTEUR 7-8/2019

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DER STOFF AUS DEM DIE KABEL SIND MENSCHEN UND MÄRKTE Werkstoffe sind die Grundlage nahezu aller vom Menschen entwickelten Produkte. Die eingesetzten Materialien haben großen Einfluss auf die Eigenschaften von Bauteilen. Gerade bei Kabeln ist das sehr relevant. Leitung, Mantel, Isolator – die einzelnen Systemkomponenten übernehmen unterschiedliche Funktionen, dementsprechend sind verschiedene Werkstoffeigenschaften gefordert. Guido Ege, Leiter Produktmanagement und Entwicklung bei Lapp, gibt im Interview Einblicke in die spannende Welt der Kabelmaterialien. Welche Rolle spielen Werkstoffe, wenn es um die Neuentwicklung von Kabeln geht? Die Wahl des richtigen Werkstoffs spielt die zentrale Rolle, denn der Werkstoff gibt die Isolation vor, gibt die mechanischen Eigenschaften vor, gibt die Beständigkeit vor. Der Werkstoff muss auf die Anwendung passen und er muss auch wirtschaftlich darstellbar sein. Sonst würde man immer den nehmen, der alles kann, aber die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Und wenn ein Werkstoff technisch sehr vieles abdeckt, dann ist er sehr teuer. Die Herausforderung ist, die Anforderung, die die Anwendung stellt so wirtschaftlich wie möglich darzustellen. Welche verschiedenen Leitermaterialien spielen eine Rolle? Wenn wir über die Leiter sprechen, müssen wir zuerst überlegen, ob es eine Energieleitung oder eine Datenleitung ist. Wenn es eine Energieleitung ist, bleiben letztendlich nur Kupfer und Aluminium als Werkstoffe übrig, um sinnvoll Energie zu übertragen. Aluminium ist billiger, allerdings ist die Leitfähigkeit geringer als bei Kupfer, weshalb die Querschnitte entsprechend dicker sein müssen. Bei Datenleitungen ist Kupfer ebenfalls vorherrschend, Lichtwellenleiter können aber je nach Anwendung besser geeignet sein. Da gilt es abzuwägen: Sind extrem hohe Datenraten gefordert? Sind die Übertragungsstrecken extrem lang? Oder ist ein EMV- 14 DER KONSTRUKTEUR 7-8/2019

ELEKTROTECHNIK/INDUSTRIEELEKTRONIK verseuchtes Umfeld zu erwarten? Dann sind Lichtwellenleiter – Glasfasern oder Kunststoff – vielleicht die bessere Lösung. Ist das nicht der Fall, dann entscheidet letztendlich die Applikation, wo welche Leitung Sinn macht. Aber da gibt es auch Auswahltabellen und Konfigurationen, um dem Konstrukteur die Arbeit zu erleichtern. Können Sie einen kurzen Überblick geben, was die verschiedenen Mantelmaterialien angeht? Es gibt das klassische PVC, das immer noch den Löwenanteil der Anwendungen bedient. In jüngster Vergangenheit war PVC wegen enthaltener Weichmacher – Schlagwort: ROHS/Reach – und Halogenen starken Veränderungen unterworfen. Halogenfreie Materialien, Polyurethane und thermoplastische Elastomere, die Eigenschaften von Gummi und Elastomeren vereinen, sind die gängigen Materialien, die im normalen industriellen Umfeld hauptsächlich zum Einsatz kommen. Worauf müssen Konstrukteure bezüglich der Ummantelung achten? Der Konstrukteur muss wissen, für welches Umfeld er seine Maschine designt, welche Schutzklassen gefordert sind, aber auch die Temperatur, sprich: Kälte, Hitze ist ein Thema. Er muss außerdem klären, ob es Vibrationen gibt, oder ob die Leitung bewegt oder fest verlegt wird. Das sind die Parameter, die er abgleichen muss und anhand dieser Kriterien kann er eine geeignete Lösung wählen. Welche Trends sehen Sie bei Mantelmateriealien? Ein bedeutender Impulsgeber ist hier der Umweltschutz. Es wird immer weiter in Richtung Halogenfreiheit gehen. Auch Recyclingmaterialien sind zu nennen. Außerdem sind brandhemmende Materialien oder solche mit geringer und nicht korrosiver Rauchentwicklung ein zunehmend wichtiges Thema. Was sicher auch ein Trend ist, sind die sogenannten Sandwich-Materialien – also mehrere Schichten in einem Aufbau. Wenn unterschiedliche Eigenschaften in speziellen Anwendungen gefordert sind, kann das eine Lösung sein. Manche Eigenschaften sind konträr, die lassen sich nicht so einfach in einem Material abbilden. Was ist entscheidend, wenn es um die Auswahl der Materialien für Kabel geht? Wichtig ist, dass der Anwender seine Anforderungen genau kennt. Überdimensionierung und Unterdimensionierung sind verbreitet und kosten bares Geld. Viele Anwender ordern teure Kabel nur, weil sie die Anwendungsbedingungen nicht genau kennen und auf der sicheren Seite sein wollen. Oder die Anwender verwenden bei Leitungen und Steckverbindern Standardprodukte und nehmen in Kauf, dass diese häufig ausgetauscht werden müssen. Ein wichtiger Punkt sind natürlich die Umgebungsbedingungen. Dann kommt noch der Einsatzort dazu. Will ich meine Maschine in Europa vertreiben, in Asien oder Amerika, oder im besten Fall in allen drei Regionen? Ist eine UL-Zulassung erforderlich, dann fallen schon direkt einige Materialien raus. Kurz gesagt: Es sind tatsächlich die Anforderungen des Kunden bzw. der Applikation, die alles entscheiden. Sie genau zu kennen ist essenziell, um nachher das richtige Produkt zu wählen. Wie können Sie hier den Konstrukteur unterstützen? Wir haben entsprechende Auswahltools, sogenannte Konfiguratoren, anhand derer der Kons trukteur geleitet wird, die Fragen entsprechend zu beantworten. Das ist kein komplexes Werkzeug, sondern ein ein faches Online-Tool. Am Ende bleibt eine Auswahl an Konfigurationen übrig, die für die ausgewählten Kriterien passen. Darüber hinaus gibt es immer wieder kundenindividuelle Anforderungen, die nicht mit Standardprodukten abzudecken sind. Hierfür haben wir unsere Kollegen im Bereich Customized Cables. Hier werden Sonder leitungen und Spezialkabel maßgeschneidert. Unsere Experten kennen ihre Produkte genau und sollten immer konsultiert werden, bevor ein Anwender sich für eine – mög licherweise ungeeignete – Variante entscheidet. Denn wir stellen dem Anwender die relevanten Fragen, die er vielleicht noch nicht im Kopf hat. Bilder: photosbyfeldmeier www.lappkabel.de Das Interview führte Martina Klein. DER KONSTRUKTEUR 7-8/2019 15