WERKSTOFF- UND VERBINDUNGSTECHNIKGREEN MATERIALSIN DERKABELBRANCHEKunststoffe sind heute in vielen Bereichenunverzichtbar. Sie werden zu Formteilen,Fasern oder Folien weiterverarbeitet unddienen als Verpackungsmaterial, Klebstoffoder Textilfaser und sind in vielen Industrienbeliebter Werkstoff. Bei Kabeln- undLeitungen ist der Einsatz von Kunststoffenfunktionsrelevant. Doch wie lässt sich dieVerwendung des Werkstoffs nachhaltigergestalten und warum ist das sinnvoll?Wir sprechen mit Dr. Silvia Lajewski, Expertinim Bereich Kunststofftechnik bei Lapp,über die Entwicklung und den Einsatzumweltfreundlicher Kunststoffe.INTERVIEWPRODUKTE UND ANWENDUNGENNicole Steinicke: Bei Kabeln im industriellen Einsatz ist derKunststoff wichtig, um relevante technische Funktionensicherzustellen. Sie kommen als Isolierwerkstoff derKupferleiter zum Einsatz und werden zum Schutz der Leitungbeispielsweise vor mechanischen Belastungen als Außenmantelbenötigt. Man spricht dabei auch von sogenanntenCompounds. Was versteht man technisch darunter?SILVIA LAJEWSKI: Als Compound werden Kunststoffgemischebezeichnet, denen zusätzliche Füllstoffe oder andere Additivebeigemischt worden sind. Durch die Auswahl von Kunststoff,Verarbeitungsverfahren und Additiven lassen sich gezielteVeränderungen der mechanischen, thermischen, elektrischenoder optischen Werkstoffeigenschaften erreichen. Je nach denAnforderungen der Anwendung können also Härte, Formbarkeit,Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperaturbeständigkeit undchemische Resilienz variieren. In der Kabelbranche sprechenwir also von Kunststoffmischungen oder Compounds.Nicole Steinicke: Worin besteht die größte Herausforderungneue Compounds zu entwickeln?SILVIA LAJEWSKI: Die Herausforderung liegt in der Komplexität.Denn ein Kunststoff-Compound besteht aus bis zu 20 Bestandteilen,die perfekt aufeinander abgestimmt sein müssen. Auchdürfen sich Eigenschaften gegenseitig nicht negativ beeinflussen.Ziel ist also eine optimale Synergie zwischen allen Bestandteileneiner Kunststoffmischung. Das herauszufinden, ist oft nichteinfach. Wie sensibel dieser Prozess ist, zeigt ein aktuellerLabor versuch, bei dem wir die gleiche Leitung in Weiß als auchin Blau getestet haben. In Weiß bestand sie unseren Test, inBlau jedoch fiel sie durch. Man muss also stets alle Bestandteilebis ins kleinste Detail im Blick behalten. Dabei achten wir aufverschiedene Eigenschaften des Produkts. Ist beispielsweise32 DER KONSTRUKTEUR 2025/01 www.derkonstrukteur.de
WERKSTOFF- UND VERBINDUNGSTECHNIKNicole Steinicke: Werfen wir einen Blick auf die jeweiligenEinsatzgebiete. Gibt es Grenzen des Machbaren, was sindStressfaktoren und worauf kommt es an?SILVIA LAJEWSKI: Gerne erläutere ich die Herausforderungenam Beispiel von Solarpanels oder denken wir an großeSolarparks in Wüstengegenden, die im Freien den widrigstenBedingungen ausgesetzt sind. Hier ist es tagsüber heiß undnachts kalt. Für einen Kunststoff sind derart hohe Temperaturschwankungenin kurzer Zeit Stress. Hinzu kommt die Sonneneinstrahlung,die Kunststoffe verspröden lässt. Wind und Regenbelasten die Leitungen dann noch mechanisch. Hier kommenalso viele Umgebungsbedingungen zusammen, die völlig andereAnforderungen an einen Kunststoff stellen, als dies für ein Kabelerforderlich ist, das in der Wand verläuft, einmal verlegt wirdund dann nicht mehr zum Vorschein tritt und nicht bewegt wird.Aber selbst solche Maximalbelastungen sind möglich.Nicole Steinicke: Wie testen Sie neue Kunststoffe, Kabelund Leitungen, damit diese zuverlässig den jeweiligenUmgebungsbedingungen standhalten?SILVIA LAJEWSKI: In unseren Tests arbeiten wir mit mathematischenModellen, die an reale Umgebungsbedingen angelehntsind und die uns helfen, Prozesse zeitlich zu beschleunigen.Ein Beispiel ist die beschleunigte Alterung. Unter Laborbedingungenlassen sich Tests nur unter kontrollierten Zuständenabbilden. Diese finden im Rahmen der entsprechenden Normeneine höhere Medienbeständigkeit zu erzielen, kann dies zurFolge haben, dass sich dadurch die mechanischen Eigenschaftenverschlechtern. Weiteres Beispiel ist der Flammschutz.Flammschutzmittel sind feste, unschmelzbare Pulver.Mischen wir also in einen flüssigen Kunststoff ein festes Pulver,verändert sich die Viskosität. Und das wiederum beeinflusstden Verarbeitungsprozess. Steigt also die Viskosität, mussentschieden werden, bis zu welchem Grad dies tolerierbar istoder ob die Beimischung von Zusatzstoffen wie Vlieshilfsmittelden Effekt ausgleichen müssen, um die gewünschte Flammschutzeigenschaftzu erhalten. Es geht also immer darum,Lösungen zwischen Eigenschaften und Bestandteilen zuent wickeln, die sich optimal ergänzen.Nicole Steinicke: Die optimalen Eigenschaften einesCompounds sind das eine – die Kunststoffverarbeitung dasandere. Stehen Sie hierbei vor der nächsten Herausforderung?SILVIA LAJEWSKI: Genau, das ist die nächste Entwicklungstufe:das richtige Zusammenspiel aus Prozess und Werkstoff zu finden.Kabel werden beispielsweise über das Extrusionsverfahren hergestellt,Stecker im Spritzgießprozess. Jedes Verfahren stelltandere Anforderungen an den Werkstoff. Innerhalb der Kunststofftechnikenbewegen wir uns also in unterschiedlichenWelten und es ist unabdingbar die verschiedenen Verfahrenund Produktionstechniken zu kennen.DER OPTIMALE WERKSTOFF FÜRDAS JEWEILIGE KABELWenn wir von Plastik sprechen, meinen wir eigentlichKunststoff. Der chemische Fachbegriff lautet Polymer undbezeichnet hochmolekulare Verbindungen aus Kohlenwasserstoffen,die aus mehreren Tausend bis mehrerenMillionen kleiner Wiederholeinheiten (Monomeren)aufgebaut sind. Ein Polymer in Reinform muss mitgeeigneten Additiven aufbereitet werden, ein Kunststoffist daher ein technischeinsetzbarer Werkstoffaus Polymeren undAdditiven. Lapp hat fürseine Produkte über400 verschiedeneKunststoffcompoundsfreigegeben. Dabeikommen in der Branchevor allem fünf verschiedeneKunststoffe zum Einsatz:PVC (Polyvinylchlorid) ist ein Allroundtalent, das gutmit Additiven modifizierbar ist und sich vor allem durchFlammwidrigkeit und Flexibilität auszeichnet. TPE(Thermoplastische Elastomere) sind sehr dehnfähigund medienbeständig. Polyamide kommen mit ihrerTemperaturbeständigkeit bei UL-Zertifizierungen undim Stecker-Bereich zum Einsatz und strahlenvernetztesPolyethylen (PE) bei Photovoltaik und Schienenfahrzeug-Produkten.www.derkonstrukteur.de DER KONSTRUKTEUR 2025/01 33
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