WERKSTOFF- UND VERBINDUNGSTECHNIK01 Nicole Steinicke im Gespräch mit Dr. Silvia Lajewski,Expertin im Bereich Kunststofftechnik und Research EngineerCompound Technology bei Lapp02 „Doch Biokunststoff ist nicht gleich Biokunststoffund bedeutet nicht automatisch, dass er nachhaltig ist“03 Chefredakteurin Nicole Steinicke besucht gemeinsammit Lapp das Institut für Kunststofftechnik (IKT) der UniversitätStuttgart. Das IKT ist für den Spezialisten für innovativeVerbindungslösungen ein kompetenter Partnerfür alle Kunststoff-ThemenINTERVIEWPRODUKTE UND ANWENDUNGEN010203und Standards statt, mit dem Ziel, dass verschiedene Herstellerund verschiedene Prüflabore auf vergleichbare Weise testen undsomit die Ergebnisse ebenso vergleichbar sind. So lässt sichherausfinden, wie das Material auf die entsprechende Belastungreagiert und feststellen, ob es für das geplante Einsatzgebietgeeignet ist oder nicht.Nicole Steinicke: Sehen Sie Lapp damit eher als Kunststoffherstellerund -verarbeiter oder als Kunststoffentwickler?Und welche Vorteile bringt diese Strategie?SILVIA LAJEWSKI: Die Kunststoffentwicklung ist bei Lapp schonviele Jahre integraler Bestandteil. Dabei kooperieren wir miteinem Partner in der Schweiz sowie mit unseren Lieferanten.Schlägt uns beispielsweise ein Lieferant einen neuen Compoundvor, testen wir diesen und spielen unsere Ergebnisse wiederzurück. Daraus resultierend können wir Wünsche äußern,beispielsweise, dass die Zugfestigkeit besser sein müsste. Dannwird seitens Lieferanten ein neuer Compound entwickelt undwiederum bei uns getestet. Auf diese Weise entwickeln wir neueKunststoffe mit optimierten Eigenschaften. Denn Kunststoffeund Kabel sind eine Einheit und die Grundidee in der Entwicklungsgeschichtevon Lapp. Die Kunststoffherstellung wiederumwollen wir bei Lapp noch besser verstehen und daran arbeitenwir intensiv. Denn je spezifischer unser Fach wissen in diesemBereich ist, desto besser können wir eigene und optimal auf dieAnwendung hin entwickelte Rezepturen anpassen. WeitererVorteil ist, dass wir speziell im asiatischen Markt preislichattraktiver werden können und gleichzeitig lässt sich dieVer sorgungssicherheit besser gewährleisten. Wenn wir unsereKunststoffe selbst herstellen, dann gibt es einfach einen Schrittweniger, auf den man angewiesen ist.NACHHALTIGEKUNSTSTOFF LÖSUNGENSIND TEIL DES WEGESZUR KLIMANEUTRALITÄTNicole Steinicke: Der zunehmende Nachhaltigkeitsgedankefordert neue Entwicklungen im Bereich der Werkstoffe.Was halten Sie von biobasierten Kunststoffen?SILVIA LAJEWSKI: Kunststoffe sind ein wesentlicher Bestandteilunserer Produkte. Es ist für uns daher unabdingbar, sich mitdiesem Werkstoff auseinanderzusetzen. Dabei gibt es diekonventionellen, auf fossilen Ressourcen basierenden Kunststoffe.Sie machen den Großteil der weltweit hergestelltenKunststoffe aus. Es gibt darüber hinaus Kunststoffe, die auf diegleiche Weise auf Basis fossiler Rohstoffe hergestellt werdenkönnen, deren molekulare Bindungen aber durch die Stoffwechselprozessebestimmter Bakterien gelöst werden können.Sprechen wir von „biobasierten“ Kunststoffen, so sind dieseeine nachhaltige Alternative zu konventionellen Kunststoffen,34 DER KONSTRUKTEUR 2025/01 www.derkonstrukteur.de
WERKSTOFF- UND VERBINDUNGSTECHNIK04050604+05 Die neuen teilweise biobasierte Steckerprototypen EPIC H-A 3 eignensich für eine große Bandbreite an Industrien wie Maschinenbau, erneuerbareEnergien und Lebensmittelproduktion06 Der Mantel der Datenleitung Etherline FD P Cat.5e besteht zu 43 Prozent ausnachwachsenden Rohstoffen und kann somit den CO2-Fußabdruck um 24 Prozentgegenüber dem fossil-basierten Mantel reduzieren07 Gerüstet für die Zukunft: Die bleifreien Kabelverschraubungen von Skintop inSchutzart IP 68 können mit Messingprodukten, die zwischen zwei und vier ProzentBlei enthalten, bestens mithalten07da deren Rohstoffe pflanzlichen oder tierischen Ursprungs sindund innerhalb von nicht mehr als zwei Wachstumsperiodengeerntet werden können.Wir sehen daher die Lösung in biobasierten Kunststoffen,die nicht bioabbaubar sind, denn im Einsatz soll die Kabelummantelungihre Beständigkeit und Nutzungsdauer behaltenund sich nicht rückstandslos zersetzen. Dabei kann es sichum vollständig neuartige Polymere handeln oder um neueLösungen aus biobasierten Grundchemikalien, beispielsweiseBio-Ethanol, mit denen sich chemisch identische Werkstoffeherstellen lassen. Die möglichen Quellen von biobasiertenKunststoffen sind ebenso vielfältig wie ihre Anzahl: Bakterienund Algen, Zucker, Raps, Sonnenblumenöl, aber auch Reststoffeder Agrarindustrie wie Molke können verarbeitet werden.Nicole Steinicke: Biobasierte Produkte sind also auch intechnisch anspruchsvollen Anwendungen einsetzbar.Doch wiegt Nachhaltigkeit mehr als der höhere Preis?SILVIA LAJEWSKI: Hier muss noch viel Überzeugungsarbeitgeleistet werden. Die Leistungsfähigkeit biobasierter Kunststoffeist auf einem sehr guten Weg. Allerdings sind die Materialkostenbis zu 30 Prozent höher und damit auch der Endpreis. Erdöldagegen ist einfach günstiger. Wir bei Lapp haben Nachhaltigkeitfest in unserer Unternehmensstrategie verankert und unsbewusst gesagt, wir wollen diese nachhaltige Leitung nicht zumgleichen Preis. Denn uns geht es nicht um den Preis. Wir wollenzeigen, dass es Lösungen gibt. Deshalb arbeiten wir auch weiteran neuen biobasierten Varianten, beispielsweise an einem Bio-PVC-Compound, bei dem biologischen Weichmacher getestetwerden. Wir gehen voraus und motivieren andere nachzuziehen.Vielen Dank für das Gespräch.Bilder: Infokasten Pixel Matrix – stock.adobe.com, sonstige Lappwww.lapp.comwww.derkonstrukteur.de DER KONSTRUKTEUR 2025/01 35
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