ANTRIEBSTECHNIKAKTIVESCHWINGUNGS-DÄMPFUNGFÜR ZERSPANUNGS-ROBOTERPRODUKTE UND ANWENDUNGENZerspanungsroboter sind flexibel und kosteneffizienteinsetzbar. Sie finden ihren Einsatzaufgrund ihrer Schwingungsanfälligkeitaber vor allem in Prozessen mit geringenAnforderungen an die Fertigungsgenauigkeit.An der Leibniz Universität Hannover wirdein modellbasiertes Regelungsverfahrenentwickelt, mit dem positionsabhängigeStrukturschwingungen aktiv gedämpftwerden können.Heutige Werkzeugmaschinen sind für die Hochpräzisionsfertigungausgelegt und erreichen Fertigungsgenauigkeitenim einstelligen Mikrometerbereich. Für großvolumigeBauteile werden spezielle Werkzeugmaschinen,zum Beispiel in Portalbauweise, eingesetzt. Für Bauteile mitgeringeren Anforderungen an die Fertigungsgenauigkeit könnendiese Maschinen jedoch unverhältnismäßig hohe Betriebskostenverursachen [KLI17].Industrieroboter bieten hier eine vorteilhafte Alternative. Siezeichnen sich durch ihre Flexibilität in der Spindelorientierungund ein besseres Arbeits-zu-Bauraumverhältnis aus [DEN17]. ImVergleich zu großen Portalmaschinen sind Industrieroboter kosteneffizienter,da sie geringere Anschaffungskosten und Betriebskostenaufweisen. Sie sind besonders geeignet für die Bearbeitunggroßer Teile oder Werkstücke mit niedrigen Toleranzanforderungenund geringen Schnittkräften. Dazu zählt vor allem dieBearbeitung von Werkstoffen wie PU-Schaum, Kunststoff undProf. Dr.-Ing. Berend Denkena, Geschäftsführende Leitung; M.Sc HenningBuhl, Bereichsleiter Maschinen und Steuerungen; M.Sc. Mohamed TahaAraoud, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Fertigungstechnik undWerkzeugmaschinen (IFW), Leibniz Universität HannoverHolz. Die Anwendung von Zerspanungsroboter erstreckt sich zunehmendauch auf die Bearbeitung von Aluminium und dieGussnachbearbeitung [HOP08].HERAUSFORDERUNGEN BEI DERZERSPANUNG MIT ROBOTERNObwohl Industrieroboter aufgrund ihrer Flexibilität und Anpassungsfähigkeitin der Fertigung zunehmend Verbreitung finden,stehen sie vor erheblichen Herausforderungen, die ihren Einsatzbei der Präzisionsfertigung einschränken. Ursprünglich fürHandhabungsaufgaben entwickelt, sind sie anfälliger für Schwingungenund haben im Vergleich zu herkömmlichen WerkzeugmaschinenDefizite bei der Positioniergenauigkeit und Steifigkeit.Diese Einschränkungen sind vor allem auf die langen Hebelarmeund die serielle Kinematik zurückzuführen. Zerspanungsroboterweisen im Vergleich zu Werkzeugmaschinen folglich eine signifikanthöhere Nachgiebigkeit auf. Aufgrund dieser höheren Nachgiebigkeitkönnen Schwingungen im Fertigungsprozess (zumBeispiel Rattern) bereits mit geringen Schwingungsamplitudenzu unzulässigen Fertigungsabweichungen führen. Mit konstruktivenMaßnahmen (zum Beispiel zusätzliche Versteifungen) lässtsich die Steifigkeit und damit die Präzision von Zerspanungsroboternsteigern. Zwar erhöhen zusätzliche konstruktive Versteifungendie statische und dynamische Steifigkeit, jedoch mindernderartige Maßnahmen die Verfahrdynamik und damit die Produktivitätvon Zerspanungsrobotern. Deshalb müssen dieseMaßnahmen auf ein notwendiges Minimum beschränkt werden,um die Vorteile der Industrieroboter zu erhalten. Ein möglicherAnsatz sind intelligente Regelungskonzepte, um ohne oder nurmit minimalen zusätzlichen konstruktiven Maßnahmen die Fertigungsgenauigkeitzu steigern. Die neuartigen Regelungsansätzewerden vom IFW im Forschungsprojekt „ASK-ROB“ erforscht.Ziel der Regelungskonzepte ist es, auftretende Schwingungenmithilfe der Antriebe des Zerspanungsroboters aktiv zu dämpfen.NEUARTIGE ANSÄTZE IMFORSCHUNGSPROJEKT ASK-ROBIm bereits abgeschlossenen Forschungsprojekt „Innoflex“ wurdeein Zerspanungsroboter für die Leichtzerspanung prototypisch30 DER KONSTRUKTEUR 2025/03 www.derkonstrukteur.de
ANTRIEBSTECHNIK01 Explosionszeichnung des Zerspanungsroboter-Prototyps aus dem Projekt Innoflex0102 Schwingungsanregung der Struktur durch Bewegungder A3-Achse: Bei hochdynamischen Positioniervorgängenmit dem Torquemotor der A3-Achse wurden Schwingungenin der Roboterstruktur induziertumgesetzt. Im Forschungsprojekt „ASK-ROB“ wird der Zerspanungsroboterweiterentwickelt. Der Zerspanungsroboter ist inder zweiten und dritten Achse mit Torquemotoren ausgestattet.Aufgrund der Direktantriebe weist der Zerspanungsrobotergrundsätzlich eine höhere Verfahrdynamik auf. Im Forschungsprojektwird untersucht, inwieweit die Torquemotoren zur aktivenSchwingungsdämpfung, insbesondere bei hochdynamischenPositioniervorgängen, eingesetzt werden können.Der Innoflex-Roboter verfügt über drei Drehachsen, die einepräzise Ausrichtung des Tool Center Points (TCP) ermöglichen.Die A1-Achse wird durch einen Servomotor angetrieben, währenddie A2-Achse eine aktive Versteifung durch ein hybrides Antriebskonzeptaufweist, das einen Servo- und einen Torquemotorkombiniert. Die A3-Achse ist für eine hohe Dynamik direkt angetrieben,um eine optimale Beweglichkeit am TCP zu gewährleisten.Im ersten Schritt werden nur die rotatorischen Achsen betrachtet.Eine zusätzliche lineare Achse für die Werkstückbearbeitungist ebenfalls vorhanden, wird aber in der aktuellen Entwicklungund Regelungsstrategie nicht berücksichtigt. Imungeregelten Betrieb ist der Roboterprototyp deutlich steifer alsherkömmliche Roboter. Dies wurde durch größere und steifereLager sowie durch neue Antriebskonzepte und neuartige Getriebeerreicht. Versuche in einer für die Zerspanung relevanten Posezeigen eine bis zu achtmal höhere Steifigkeit als bei einem herkömmlichenKuka-Industrieroboter KR 500 L360-2. Zudem wurdedie dynamische Steifigkeit der Roboterstruktur durch einenTorquemotor im Hybridantrieb der A2-Achse aktiv erhöht, umdie Positioniergenauigkeit zu verbessern.Bei hochdynamischen Positioniervorgängen mit dem Torquemotorder A3-Achse zeigte sich jedoch eine kritische Grenze:Diese Vorgänge induzierten Schwingungen in der Roboterstruktur.Die Schwingungen wurden mit einem Laser-Doppler-Vibrometer(Polytec, OFV 303) an Glied 2 gemessen und hatten einemaximale Amplitude von 6,1 mm bei einer Frequenz von 16 Hz.Dies beeinträchtigt die Positioniergenauigkeit der Werkzeugspindelund begrenzt die maximal mögliche Dynamik des Direktantriebsder A3-Achse.SELBSTADAPTIVER REGELALGORITHMUSDie Regelungsmethode des Hybridantriebs führt hauptsächlich zueiner Versteifung der A2-Achse. Für die beiden Motoren derA2-Achse wurde eine Kaskadenregelung mit Geschwindigkeitsvorsteuerungimplementiert. Der am beweglichen Teil angebrachteTorquemotor dient als Hilfsaktor zur Kompensation von Gelenkwinkelfehlernbei höheren Frequenzen. Die bisher eingesetzteRegelungsmethode hat sich jedoch als unzureichend erwiesen,um die Strukturschwingungen vollständig zu kompensieren. Daherist eine neuartige Regelungsmethode erforderlich, die dasSchwingungsverhalten der gesamten Roboterstruktur beeinflusst.Die zentrale Herausforderung im Forschungsprojekt „ASK-ROB“besteht darin, das nichtlineare, posenabhängige Schwingungsverhaltender Roboterstruktur zu berücksichtigen, das zeitvariabel ist.Der neue Regelungsansatz wird nachfolgend beschrieben.Die zu dämpfenden Schwingungen entstehen sowohl durchden Zerspanungsprozess selbst als auch durch hochdynamischePositioniervorgänge. Der Ansatz basiert auf einem modellbasiertenRegelungsverfahren, das geeignete Dämpfungsmomenteüber den zusätzlichen Torquemotor in die Roboterstruktur einbringt.Die Regelparameter werden kontinuierlich an das positionsabhängigeSchwingungsverhalten der Roboterstruktur angepasst.Dadurch wird für jede Roboterposition eine optimierteSchwingungsdämpfung gewährleistet. Die Entwicklung diesesselbstadaptiven Regelalgorithmus erfordert die Identifikation derrelevanten Systemvariablen des Mehrkörpermodells.ERSTELLUNG EINES ZUSTANDSRAUMMODELLSIm nächsten Schritt des Projekts wird ein Finite-Elemente-Modell(FE-Modell) der Roboterstruktur entwickelt, das durch experimentelleModalanalyse angepasst wird. Optimierungsalgorithmenwerden verwendet, um die Modellparameter zu verfeinern.Ziel ist die Erstellung von Nachgiebigkeitskennfeldern, die dieNachgiebigkeit des Roboters in Abhängigkeit von der Gelenkpositiondarstellen. Nach der Validierung des FE-Modells wirddieses verwendet, um ein echtzeitfähiges, positionsabhängigesZustandsraummodell der Roboterstruktur zu erstellen. Anhanddieses Modells können die Reglerparameter in Echtzeit angepasstwerden. Damit kann das Hauptziel des Projekts erreichtwerden: die dynamische Steifigkeit der Roboterstruktur zu maximierenund eine optimale Schwingungsdämpfung über den gesamtenArbeitsbereich des Roboters zu gewährleisten.Literaturverzeichnis:[DEN17] Denkena B, Brüning J, Windels L, Euhus D, Kirsch S, Overbeck D,Lepper T (2017) Holistic process planning chain for robot machining.Production Engineering 11, Nr. 6: S. 715-22.[HOP08] Hoppe M (2008) Fräsroboter für die Bearbeitung von Kunststoffund Aluminium. IPA-Workshop „Bearbeiten mit Industrierobotern“,Westkämper, E. (Hrsg.), S. 80–92, Stuttgart.[KLI17] Klimchik A, Ambiehl A, Garnier S, Furet B, Pashkevich A (2017)Comparison Study of Industrial Robots for High-Speed Machining.Mechatronics and Robotics Engineering for Advanced and IntelligentManufacturing, S. 135–147, Springer International Publishing.Bilder: Aufmacher tum2282 – stock.adobe.com, sonstige IFWwww.ifw.uni-hannover.de02www.derkonstrukteur.de DER KONSTRUKTEUR 2025/03 31
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