ANTRIEBSTECHNIKEIN MOTORENPORTFOLIO,DAS ALLE ANWENDUNGENABDECKTRalf Peschel, Product MarketingManager IEC LV Motorsbei ABB MotionOne size fits all? Für Industrieanwendungen ist dieser Ansatz undenkbar. Dennjede Applikation ist einzigartig und erfordert speziell angepasste Antriebstechnik.Ralf Peschel, Product Marketing Manager IEC LV Motors bei ABB Motion, erklärt,wie dennoch alle Anforderungen erfüllt werden können und dabei auch dieEnergieeffizienz berücksichtigt wird.INTERVIEWPRODUKTE UND ANWENDUNGENHerr Peschel, welche Antriebstechnologie ist dieeffizienteste für Industriemotoren?RALF PESCHEL: Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt esnicht. Die Anwendungen und Bedürfnisse an Industriemotorensind extrem unterschiedlich, deshalb hängt es in jedem Einsatzstark von den Erfordernissen der Applikation ab, welche Motortechnologiedie beste ist.In anderen Anwendungen scheint die Antwort klar:Bei Elektroautos heißt es zum Beispiel, der Permanentmagnetmotorsei unschlagbar.RALF PESCHEL: Das stimmt zumindest zum Teil. Permanentmagnetmotorenhaben sehr hohe Wirkungsgrade, deshalb sindsie bei den Herstellern von Elektrofahrzeugen beliebt – kostenbedingtvor allem für höherpreisige Modelle. Aber bei Motoren,die in Pkw verbaut werden, sind die Anforderungen auch vieleinfacher und letztlich immer gleich. Mit Anwendungen in derIndustrie kann man diese Applikation nicht vergleichen. Hiersind oft vollkommen verschiedene Fähigkeiten gefragt.Man kann das mit Schlagbohrern und Akkuschraubern illustrieren.Das Grundprinzip der Geräte ist vollkommen identisch.Selbst äußerlich ähneln sie sich. Aber es macht einen Riesenunterschied,ob Sie eine kleine Schraube exakt und schonend ineinem Holzbalken versenken wollen oder ein Loch in eineStahlbetonwand bohren müssen. Für die Motoren der Werkzeugeergeben sich aus solchen Anwendungen völlig unterschiedlicheAnforderungen. Und bei Industrieapplikationensind die Einsatzgebiete nun mal noch viel größer.Trotzdem gibt es Hersteller von Industriemotoren, die aufein einziges Bauprinzip schwören. ABB hat dagegen vieleverschiedene Motorenarten im Portfolio. Wieso?RALF PESCHEL: In der Tat haben wir ein sehr breites ProduktundTechnologieportfolio – nicht nur bei Motoren. Wir wollenfür alle Applikationen unserer Kunden immer die effizientesteTechnologie anbieten. Dafür braucht es Technologieoffenheit.Außerdem hat jeder Kunde gewisse Präferenzen. Manche wollenpartout keinen Synchronreluktanzmotor, andere keine Permanentmagnetmotoren.Mit unserem Angebot können wir aufdiese Anforderungen eingehen.NEBEN DER EFFIZIENZ DESEINZELNEN MOTORS MUSS AUCHDIE GESAMTSYSTEMEFFIZIENZIM BLICK BEHALTEN WERDENWelche Argumente sprechen denn zum Beispielgegen permanenterregte Motoren?RALF PESCHEL: Langfristig könnte die Verfügbarkeit vonSeltenen Erden ein Grund gegen Motoren sein, die auf starkeMagnete angewiesen sind. Unser SynRM kommt ohne dieseMagnete aus. Es gibt aber auch Betreiber, die einfach bei derTechnologie bleiben möchten, die sie am besten kennen – unddas ist fast immer der Asynchronmotor. Er ist seit Jahrzehnten in34 DER KONSTRUKTEUR 2025/03 www.derkonstrukteur.de
ANTRIEBSTECHNIKNiederspannungsmotorenbieten eine großeFlexibilität zur Realisierungkundenspezifischer Lösungenund können exakt anAnforderungen angepasstwerdender Industrie etabliert, auch das kann ein Grund sein.Für Permanentmagnetmotoren spricht dagegen unter anderem,dass sie kleiner sind und bei einem Retrofit entsprechend Platzsparen – auch durch ihren niedrigeren Blindstromanteil, wasteilweise kleinere Umrichter erlaubt. Je nach Anwendung kanndas den Ausschlag zur Entscheidung geben.Angesichts der Preise für Industriestrom könnte man docheigentlich meinen, für die meisten Betreiber wäre nicht dieTechnologie entscheidend, sondern der Wirkungsgrad.RALF PESCHEL: Natürlich gibt es kaum Betreiber, für die Effizienzund Wirkungsgrad gar keine Rolle spielen. Aber teilweisewird der Anschaffungspreis leider nach wie vor zu hoch gegenüberden Betriebskosten gewichtet. Langfristig zahlt man dannals Betreiber drauf. Dennoch geht die Entwicklung der Effizienzklassenweiter. Sobald die Regularien der netzbetriebenen Motorenfür IE5 verabschiedet sind, werden IE5-Asynchronmotorenvon ABB kommen. Im Durchschnitt werden diese Modelle einewiederum um 20 Prozent reduzierte Verlustleistung bieten. Überdie verschiedenen Leistungen hinweg schwanken die Verbesserungeninzwischen jedoch. Wir werden in Zukunft vielleicht auchnoch Motoren mit den Effizienzklassen IE6 oder IE7 sehen. Aberirgendwann muss man in andere Richtungen denken, weil dasverbleibende Potenzial für Verbesserungen immer kleiner wirdund jede Optimierung noch höhere Materialeinsätze nötig macht.In welche Richtung sollte man Ihrer Meinung nach denken?RALF PESCHEL: Ganz klar in Richtung „Paketwirkungsgrad“,also Gesamtsystemeffizienz. Die technologisch mögliche Effizienzdes Motors im Einzelnen ist heute ohnehin schon so hoch,dass es umso mehr Sinn ergibt, sich mit dem Drumherum zubeschäftigen und die Systemeffizienz in den Blick nehmen.Und hier kommen wir wieder zum großen Portfolio von ABBzurück: Um die Effizienz einer gesamten Anlage gezielt zu erhöhen,muss man für jede Anwendung die passende Technologiebieten und das nötige Know-how haben. Beispielhaft gesagtkann es je nach Applikation etwa Sinn ergeben, den IE2-Motorzu behalten und ihn mit einem Frequenzumrichter auszustatten.Das kann unter Umständen mehr Energie einsparen als denalten Motor durch ein IE4-Modell zu ersetzen.Was passiert, wenn ein Kunde Antriebstechnik für eineAnwendung braucht, die ABB nicht im Angebot hat?RALF PESCHEL: Dann kommt unser Portfolio an kundenspezifischenMotoren ins Spiel, das sich nicht im Produktkatalog abbildenlässt. Das kann man sich vorstellen wie ein Lego-System, beidenen wir die verschiedenen Technologien miteinander verbinden.Denn alle Elemente des Baukastens, aus denen unsere Kataloglösungenbestehen, lassen sich auch anders kombinieren.Können Sie ein Beispiel geben?RALF PESCHEL: Wenn es die Anwendung erfordert, können wirzum Beispiel einen Induktionsmotor mit besonders hoher Leistungsdichteunserer HDP-Baureihe mit einem Rotor aus demSynRM-Portfolio kombinieren – gegebenenfalls sogar magnetisiert.Das meine ich, wenn ich sage: ABB verkauft nicht die eineTechnologie, die wir im Katalog haben, sondern betrachtet immerspezifisch den Anwendungsfall und findet im breiten Technologieportfoliodie beste Lösung für die Anwendung des Kunden.Ist das nicht ein enormer Aufwand für eine einzige Bestellung?RALF PESCHEL: So eine Baukastenkonfiguration kostet etwasmehr Zeit, aber sie lohnt sich, wenn dadurch alle Anforderungenerfüllt und die Effizienz erhöht werden. Manchmal zeigtsich auch, dass hinter den Bedürfnissen des Kunden ein branchenweiterBedarf steckt, der zuvor noch nicht erkannt wurde.Dann wird aus dem individuell erstellten Motor ein Katalogprodukt– weil wir erkennen, was der Markt benötigt. Und dasliefern wir ihm dann auch.Bilder: ABBwww.abb.dewww.derkonstrukteur.de DER KONSTRUKTEUR 2025/03 35
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