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Der Konstrukteur 11-12/2021

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Der Konstrukteur 11-12/2021

SOFTWARE & PROTOTYPING

SOFTWARE & PROTOTYPING DAS TEAM 01 PRODUKTE UND ANWENDUNGEN Das Formula Student Team „Schanzer Racing Electric“ wurde 2010 von einer kleinen Gruppe beherzter Alumnis gegründet. Schon 2012 war das erste Fahrzeug fahrbereit und belegte bei seinem ersten Event, dem „Formula Student Germany“, den achten Rang. Seither entwickeln, konstruieren und fertigen die Teammitglieder jedes Jahr einen rein elektrischen Rennwagen, um sich in einem der weltweit größten Konstruktionswettbewerbe mit anderen Hochschulen und Universitäten zu messen. Derzeit arbeitet das Team mit rund 45 Studenten am nächsten Boliden, dem „SRe22“, wobei sich ihnen eine Reihe technischer Herausforderungen stellen. Kisssoft war zunächst als Berechnungssoftware für den Eigengebrauch des Getriebeherstellers L. Kissling & Co. AG in Zürich entwickelt worden. In den 1980er-Jahren verbreitete sich die Software rasch in alle Branchen des Maschinenbaus. 1998 gründete Dr. Ulrich Kissling die Kisssoft AG Schweiz als eigenständiges Unternehmen zum Zweck der Erhaltung und Sicherstellung der Weiterentwicklung und Wartung der Programmreihe. Kisssoft ist ein modular aufgebautes Berechnungsprogramm zur Auslegung, Optimierung und Nachrechnung von Maschinenelementen nach internationalen Normen. Die für verschiedenste Anwendungsgebiete individuell zugeschnittenen Softwarepakete garantieren maßgeschneiderte Lösungen und Integration in alle gängigen CADs. Die Berechnungsprogramme Kisssoft und Kisssys ermöglichen durch ihren modularen Aufbau die Anwendung in vielen Bereichen: Industriegetriebe, Fahrzeugbau, Lager- und Verzahnungsherstellung, Feinwerktechnik, Kunststoff, Turbogetriebebau, Windkraft, Schiffbau und weitere Fachgebiete. HERAUSFORDERUNG: HOHE ÜBERSETZUNG BEI GERINGEM BAURAUM Schon 2017 wurde ein Allradantriebskonzept mit vier Radnabenmotoren entwickelt, das sich über Jahre bewährt hat. Dieses Konzept stellt das Team jedoch jedes Jahr vor die Herausforderung, ein Getriebe mit hoher Übersetzung in einem stark begrenzten Bauraum zu konstruieren. Die von ihnen gewählten Motoren erzeugen ein Nennmoment von lediglich 10 Nm bei einer Drehzahl von 18 000 Umdrehungen pro Minute. Für ihren Einsatz ist das jedoch ungeeignet, weshalb − mithilfe von Rundenzeitsimulationen − eine ideale Übersetzung von etwa 14,5:1 ermittelt wurde. Diese Übersetzung wird durch ein Planetengetriebe erreicht, das im Radträger sitzt. Der Bauraum dort ist aber durch die Größe der Felgen auf einen Durchmesser von ungefähr 150 mm begrenzt. Hier bleibt durch die Anbindung der Querlenker an den Radträger nur noch wenig Bauraum für das Getriebe übrig. Zudem ist ein möglichst kleines Getriebe wünschenswert. Einerseits, weil ein leichteres Fahrzeug grundsätzlich Vorteile hat durch ein höheres Beschleunigungspotenzial und eine höhere Effizienz. Zum anderen zählt das Getriebe durch die Position im Radträger zu den sogenannten „ungefederten Massen“: Das sind Massen, deren Bewegung nicht durch die Fahrzeugfedern und -dämpfer abgefangen werden. Dadurch haben sie einen Anteil an den – von den Querlenkern zu übertragenden – Kräften. Dies hat wiederum einen bedeutenden Einfluss auf die Auslegung der Fahrwerksteile wie auch des Chassis. EXAKTE AUSLEGUNG DES GETRIEBESYSTEMS „SRe22“ verwendet das modular aufgebaute Berechnungsprogramm Kisssoft und seinen Systemaufsatz in der Entwicklung zur Auslegung des gesamten Getriebesystems. Dies beinhaltet die Berechnung von Schraubenverbindungen, Wellen und vor allem die Stirnräder. Mittels der genauen Berechnungsmethoden von Kisssoft lassen sich beispielsweise die Wellen, auf denen die Pla- 86 DER KONSTRUKTEUR 2021/11-12 www.derkonstrukteur.de

SOFTWARE & PROTOTYPING 02 04 01 Querlenker und Radträger mit integriertem Motor und Getriebe 02 Schnitt durch das Planetengetriebe 03 Die Auslegung des Getriebesystems erfolgt mit der Software Kisssoft 04 Arbeiten mit Kisssoft 03 neten sitzen, oder auch ihre Radlager auf die genau passende Größe auslegen. Dadurch lässt sich viel Gewicht einsparen, ohne dass das Team große Risiken hinsichtlich der Haltbarkeit in Kauf nehmen muss. Ebenfalls im Einsatz ist der Systemaufsatz Kisssys, der die Auslegung und Simulation ganzer Getriebe ermöglicht. Da beim aktuellen Konzept die Planetenträger ebenfalls als Radnabe und somit für die Kraftübertragung von Rad zu Radträger genutzt wird, hat dies einen Einfluss auf die Laufeigenschaften des Getriebes. Denn durch den Krafteintrag verformt sich der Planetenträger – folglich liegen die Planeten nicht mehr exakt an ihrer idealen Position, wodurch der Widerstand des Getriebes erhöht wird und somit der Wirkungsgrad sinkt. Mit Kisssoft ist es möglich, diese Deformation bereits in der Auslegung mit einzuberechnen. Dabei wird die Zahnform an die Anforderungen des Teams angepasst. Das Resultat ist ein Getriebe, das selbst unter Lasteintrag einen möglichst hohen Wirkungsgrad erreicht. KENNTNISSE GEWINNEN FÜR ANTRIEBSKONZEPTE DER ZUKUNFT Dieser hohe Wirkungsgrad und das geringere Gewicht des Getriebes führt zu einem effizienten Antriebsstrang. Dieser wiederum ermöglicht es dem Team, seine Renn-Events mit einem möglichst geringen Energieverbrauch bei dennoch hoher Performance zu bestreiten. Alle Erfahrungen, die sie hierbei sammeln, nehmen die Jungingenieure nach ihrem Abschluss in ihre zukünftigen Tätigkeiten mit, um aktuelle Antriebssysteme zu verbessern oder die Antriebskonzepte der Zukunft zu entwickeln. Bilder: KISSsoft AG www.kisssoft.com