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DER KONSTRUKTEUR 6/2017

DER KONSTRUKTEUR 6/2017

SPECIAL HYGIENIC DESIGN

SPECIAL HYGIENIC DESIGN SPECIAL

HYGIENIC DESIGN Wer das staatliche Internetportal www.lebensmittelwarnung.de durchstöbert, dem können die Haare zu Berge stehen: Putenlachsschinken, Käsesorten, Pilze und Kokosöl sind dort aufgeführt – aufgefallen, weil sie mikrobiologisch oder bakteriell verunreinigt sind. Dipl.-Biol. (t. o.) Markus Keller vom Stuttgarter Fraunhofer IPA, Spezialist für Reinst- und Mikroproduktion, warnt davor, diese Entwicklung auf die leichte Schulter zu nehmen. „Wir müssen dieses Problemfeld ganzheitlich betrachten, uns also nicht nur aufs Reinigen von Maschinen beschränken.“ Um das Design eines Gerätes hygienefreundlich zu machen, müssen Konstrukteure und Biologen gemeinsam an der Entwicklung beteiligt sein, wenn es beispielsweise darum geht, Ventile, Befestigungen, Oberflächen oder Kabelführungen zu optimieren, damit schädliche Anhaftungen von vornherein ausgeschlossen werden. „Langsam aber sicher sind immer mehr Entscheidungs träger in der Industrie sensibilisiert für die Wichtigkeit des Hygienc Designs“, sagt Keller. Leider würden Produktionsanlagen aber immer noch rein unter Kostenaspekten gebaut und bestellt. „Und deshalb findet man immer noch preiswerte Kunststoff-Kabelverschraubungen an hochwertigen Maschinen für die Lebensmittelindustrie, weil der Einkäufer nicht bereit ist, mehr Geld für Hygiene-Komponenten auszugeben.“ SAUBERKEIT AUF DER GANZEN LINIE Immer wieder geht es durch die Medien: Verunreinigte Lebensmittel werden aus den Läden zurückgeholt, vor ihrem Verzehr wird gewarnt. Ein Millionenschaden für die Branche – und eine Herausforderung für Maschinen- und Anlagenbauer und ihre Konstrukteure. Denn sie sind gefragt, wenn es um Hygienic Design geht – und natürlich die entsprechenden Komponenten, wie z. B. Kabelverschraubungen. Autor: Dipl.-Ing. Walter Lutz, freier Fachjournalist, Haiger HYGIENIC DESIGN LOHNT SICH Markus Keller ist sich sicher: Wer kein umfassendes Hygienic Design nutzt, läuft Gefahr, dass einerseits sein Reinigungsregime sehr aufwändig und somit teuer zu gestalten ist. Andererseits wird es durch Verunreinigungen im Fertigungsprozess zu teuren und imageschädigenden Rückrufaktionen kommen. Er sagt: „Wer die Gesamtkosten inklusive Beschaffung, Risikoanalyse, Reinigung und damit bedingt Stillstandszeiten über die Lebensdauer einer Anlage betrachtet, wird feststellen, dass ein durchgängiges Hygienic Design auf Dauer günstiger ist.“ In den Ausschreibungen und Pflichtenheften muss das Design nach den EHEDG-Vorgaben fest verankert werden, so Keller. Durch aktuelle Richtlinien der EHEDG, des VDI und international der ISO 14159 ist beim Einsatz von Maschinen und Anlagen im hygienischen Umfeld ein entsprechendes Hygienic Design Stand der Technik. Außerdem gehören die Hygienebeauftragten mit an den Verhandlungstisch, um die Entscheidungsträger zu sensibilisieren, mehr Geld für eine bessere Hygiene auszugeben, um am Ende bei der Betrachtung des Lebenszyklus einer Anlage sogar Geld zu sparen. AUCH ZULIEFERER SIND GEFRAGT Hygienic Design ist im Bereich der Lebensmittelindustrie in den Fokus gerückt. Auch verwandte Branchen wie die Pharma- und Arzneimittelindustrie sind stark sensibilisiert und wenden Hygienic-Design-Prinzipien an, ohne es direkt „Hygienic Design“ zu nennen. Keller: „Im Prinzip betrifft es alle Technikbranchen und deren Zulieferer, die mit Reinräumen und sauberen Umgebungen zu tun haben. Beispielsweise die Halbleiterindustrie setzt sich schon sehr lange mit diesen Aspekten auseinander – zwar mit einem anderen Fokus auf Partikel anstatt die Mikrobiologie – aber mit denselben Gestaltungsprinzipien.“ EINE FRAGE DER ÄSTHETIK? Glatte, sanft geschwungene und spaltfreie Oberflächen – möglichst aus Edelstahl und hochwertigem Kunststoff – unterstreichen auch optisch wie haptisch ein Produkt. Ob bei Antrieben, Sensoren oder Gehäusen: Hygiene-Kabelverschraubungen werten ein Produkt auf der ganzen Linie auf und zeigen dem Kunden, dass das Thema Hygienic Design nicht bei der Materialauswahl für das Gehäuse aufhört, sondern ganzheitlich über das gesamte Produkt beginnend DER KONSTRUKTEUR 6/2017 39