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DER KONSTRUKTEUR 7-8/2020

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DER KONSTRUKTEUR 7-8/2020

KONSTRUKTIONSELEMENTE

KONSTRUKTIONSELEMENTE VON DER LEDERDICHTUNG ZUR HOCHLEISTUNGSKOMPONENTE Ingo Metzger, der technische Geschäftsführer von COG, im Interview im historischen Seniorzimmer, das aus dem alten Firmengebäude ausgebaut und im Neubau 1:1 wieder aufgebaut worden ist INTERVIEW PRODUKTE UND ANWENDUNGEN 2017 feierte der Dichtungshersteller COG ein ganz besonderes Firmenjubiläum: das 150-jährige Bestehen. Eine so beeindruckende Zeitspanne, dass man auch drei Jahre später noch darüber berichten kann – wie wir finden. Wir sprachen mit dem technischen Geschäftsführer Ingo Metzger über das Erfolgsgeheimnis und über Dichtungstechnik im Wandel der Zeit. Wie schafft man es, als Familienunternehmen über 150 Jahre erfolgreich zu sein? Ein 150 Jahre altes Familienunternehmen kann nur so erfolgreich sein wie die Mitarbeiter, die das Unternehmen geprägt haben und heute mitgestalten. Glücklicherweise wurde COG über die Generationen hinweg von Menschen mit Leidenschaft und unternehmerischen Mut geführt und begleitet. Wichtig für den Erfolg des Unternehmens war immer die Offenheit, mit notwendigen Ver änderungen umzugehen. So sind die COG-Meilensteine gleich bedeutend mit zum Teil gravierenden Veränderungen, wie z. B. der Produktionswechsel von Leder auf Gummi, dem Verkauf der Antriebssparte oder dem Neubau und der Weiterentwicklung der gesamten Firma. Der letzte wichtige Erfolgsbaustein ist die Un abhängigkeit, die COG seit jeher auszeichnet. Wir können das Unternehmen so führen und weiterentwickeln, wie wir das für richtig halten. Und nicht so, wie andere das meinen. Das haben wir bisher auch ganz gut hinbekommen! Was war für Sie das spannendste Projekt in all der Zeit? Das ist sicherlich der Firmenneubau mit Verwaltung, Produktion und Lager von COG als auch der gleichzeitige Rückbau des alten Firmengebäudes. Wir haben 2001 mit dem Neubau am heutigen Firmenstandort begonnen. Am alten Firmenstandort konnten wir uns nicht weiterentwickeln und auch ein optimieren war dort nicht mehr möglich. So entschlossen wir uns zu einer der größten Investitionen der COG-Firmengeschichte und nutzen die Chance, mit der zu diesem Zeitpunkt fast 140-jährige Kompetenz, die Firma auf der grünen Wiese direkt vor den Toren Hamburgs von Grund auf in den Idealzustand zu bringen. Das Rückbau-Projekt ist abgeschlossen, aber das spannende COG-Neubau-Projekt dauert bis heute an. Erst 2019 haben wir mit der Fertigstellung des Technikums die vierte Bauphase realisiert. Und es bleibt weiter spannend! Was fasziniert Sie an O-Ringen? Der O-Ring ist eigentlich ein sehr simples Dichtelement und gehört zur meistverbauten Dichtung der Welt. Ein generisches 56 DER KONSTRUKTEUR 2020/07-08 www.derkonstrukteur.de

Produkt einerseits, andererseits wiederum ein sehr spezielles Nischenprodukt. Wie so häufig steckt die Komplexität im Detail. Präzisions-O-Ringe werden im Maschinenbau, neben Standardkonstruktionen, immer wieder in Anwendungen mit neuen, herausfordernden Grenzbereichen eingesetzt. Dadurch werden immer neue Maßstäbe gesetzt und die O-Ring-Materialien müssen stetig weiterentwickelt werden, um den Marktanforderungen zu genügen. Zudem ist es immer wieder sehr spannend, wo O-Ringe überall eingesetzt werden. COG-O-Ringe wurden schon in Tiefseeforschungs-U-Booten oder der ISS-Raumstation verbaut. Aber auch kuriose Einsatzgebiete gibt es, wie bei einer historischen Nähmaschine aus einem Industriemuseum. Hier wurde ein speziell hergestellter O-Ring als Ersatz für den verschlissenen Lederrundriemen als Antriebselement eingebaut. Wie hat sich die Dichtungstechnik in den letzten Jahrzehnten verändert? Wenn wir noch ein paar Jahrzehnte weiter zurückblicken, quasi von der Lederdichtung hin zur Hochleistungskomponente. Die Elastomerdichtung war eher eine Standarddichtung und kann es auch heute noch sein. Aber es gibt mehr und mehr Spezialdichtungen. Einmal, weil es der Markt verlangt, andererseits, weil am Standort Deutschland nur schwer mit einer Standard-Dichtung Geld zu verdienen ist. Im Zuge der Globalisierung werden heute DER MOTOR FÜR UNSERE INNOVATIONEN SIND UNSERE MITARBEITER, DIE ENGAGIERT NACH NEUEN LÖSUNGEN SUCHEN viele Standard-Elastomerdichtungen aus Kostengründen z. B. in Asien produziert. So musste sich die Dichtungstechnik hierzulande anders aufstellen und sich diesen Veränderungen mit einem optimierten Produktportfolio neu positionieren, um am Markt erfolgreich bestehen zu können. Allerdings erkennen wir auch einen ganz klaren Trend beim Supply-Chain-Management, denn im Zuge der weltweiten ansteigenden Unsicherheit, auch aufgrund der Coronakrise, besinnen sich viele Unternehmen darauf zurück, ihre Zulieferer und deren Produktionen doch aus Sicherheitsgründen in West-/Zentral-Europa zu suchen, anstatt den letzten Euro-Cents-Einsparungen hinterherzurennen. Generell steigt das Anforderungsprofil bei den Spezialdichtungen und auch das Thema nachhaltige Produktion gewinnt an Bedeutung – beides Themen, die uns wichtig sind und die COG auch liegen! Welche Rolle spielt der Werkstoff bei der Dichtung? Der Dichtungswerkstoff spielt bei Elastomerdichtungen die Schlüsselrolle. Die Dichtungsgeometrie ist natürlich auch dichtungsrelevant, aber wenn der Werkstoff ungeeignet ist, führt das zwangsläufig zur Leckage. Gerade bei anspruchsvollen Anwendungen zählt der Dichtungswerkstoff zum Kern der ganzen Geschichte. Ein O-Ring wird immer ein O-Ring bleiben, aber die Materialien verändern sich. Ganz nach dem Motto „Höher, schneller, weiter“, verändert sich auch das Anforderungsprofil. Neue Zulassungen, höhere Anforderungen, etc. Daraus entstehen dann teilweise auch Werkstoffneuentwicklungen. Wie entstehen bei COG Innovationen? Innovationen entstehen häufig dann, wenn Kunden offen mit uns über ihr Dichtungsproblem oder ihre Anforderung sprechen. Stellt sich in diesem Austausch heraus, dass das bestehende Produktportfolio nicht geeignet, aber das Projekt interessant für COG ist, dann ist das der Antrieb für uns bei COG etwas Neues zu erschaffen. Hierbei bleibt es nicht zwangsläufig beim Thema O-Ringe, sondern richtet sich je nach Anforderungsprofil auf den zu entwickelnden Werkstoff, die Dichtungsgeometrie oder aber auf die Entwicklung ganzer Konstruktionsbauteile. So haben wir auch schon im Kundenauftrag komplett neue Förderrollen mit elastomeren Dämpfungselementen für sensible Einsatzbereiche entwickelt. Ein wichtiger Baustein für Werkstoffinnovationen ist unser 2018 fertiggestelltes Technikum. In diesem ist die gesamte Produktion, inklusive Mischerei/Compoundierung, im kleineren Maßstab abgebildet. Das hilft uns dabei, noch zielgerichteter neue Produkte zu entwickeln. Aber der entscheidende Motor für unsere Innovationen sind zweifelsfrei unsere Mitarbeiter/innen, die immer wieder engagiert nach neuen Lösungen suchen. Schwerpunkt sind und bleiben hierbei unsere Elastomerdichtungen, aber auch andere Themen rund um Elastomere bleiben für uns interessant. Schauen wir einmal, wo unsere Reise noch hingeht. Was sehen Sie als die größten Herausforderungen in der Dichtungstechnik der Zukunft? Es gibt verschiedene Herausforderungen auf unterschiedlichen Ebenen. Beim Produktionsstandort Deutschland wird der ökonomische Aspekt eine immer wichtigere Rolle spielen. Inwieweit können Elastomerdichtungen hier zu marktgerechten Preisen produziert werden? Oder aber können nur noch Dichtungen aus High-Tech-Werkstoffen in Deutschland hergestellt werden? Ein weiterer Aspekt sind die zunehmend höheren Anforderungen seitens des Marktes. Die Wunschvorstellung ist klar, gleicht aber der Quadratur des Kreises: Der Anwender möchte eine Elastomerdichtung, die widerstandsfähig, universell einsetzbar und gleichzeitig sehr kostengünstig ist. Solch einen Werkstoff wird es aber auch zukünftig nicht geben. Es zeichnet sich aber jetzt schon deutlich ab, dass sich das Angebotsportfolio verstärkt in die Bereiche günstige Standardprodukte, Allroundwerkstoffe und Spezial- bzw. Hochleistungs-Compounds aufteilen wird. Hierfür sehen wir uns auch zukünftig gut, vielleicht sogar noch besser aufgestellt. Bilder: C. Otto Gehrckens GmbH & Co. KG www.cog.de Das Interview führte Martina Klein, stv. Chefredakteurin. www.derkonstrukteur.de DER KONSTRUKTEUR 2020/07-08 57