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DER KONSTRUKTEUR ASB/2018

DER KONSTRUKTEUR ASB/2018

MOTOREN UND STEUERUNGEN

MOTOREN UND STEUERUNGEN MOTOR NACH MASS Autor: F. Stephan Auch, freier Fachjournalist, Nürnberg PRODUKTE UND ANWENDUNGEN Seine Expertise aus dem Spindelbau nutzt der Nürnberger Maschinenbauer GMN auch für die Konstruktion von kundenspezifischen Highspeed-Elektromotoren. Hierbei setzen die Ingenieure auf verschiedene Softwaretools, die sie zu einer Gesamtlösung weiterentwickelt haben. Weltweit bekannt geworden ist das Nürnberger Industrieunternehmen GMN durch den Bau von Maschinenspindeln. Seit Jahrzehnten entwickelt es präzise und belastbare Modelle, die einen weiten Drehzahlbereich abdecken. Seit fünf Jahren wird das Know-how aus dem Spindelbau auch für die Konstruktion und Optimierung von elektrischen Antrieben genutzt. Eingesetzt werden sie sowohl in der Fertigungsindustrie als auch in mobilen Anwendungen, z. B. in Elektroautos. „Von Beginn an wollten wir uns durch kompakte Motoren mit hoher Leistungsdichte und einen besonders schnellen Entwicklungsprozess auszeichnen“, berichtet Joachim Schnüttgen, Technikleiter des Geschäftsfelds Elektrische Antriebe. Das hat geklappt, denn angesichts Drehzahlen von bis zu 250 000 min -1 kann GMN seine Elektromotoren deutlich kleiner gestalten als viele Wettbewerber. Und dank eines mehrstufigen Konstruktions- und Optimierungsverfahrens entsteht eine kundenspezifische Maßanfertigung in vergleichsweise kurzer Zeit. IN EINEM SCHNELLEN ENTWICKLUNGS- PROZESS ZU KOMPAKTEN MOTOREN MIT HOHER LEISTUNGSDICHTE „In der Regel benötigen wir nur wenige Monate bis ein halbes Jahr, bevor wir einen mehrgrößenoptimierten Prototyp ausliefern können“, erzählt Schnüttgen. Eine große Hilfe sei dabei ein umfangreiches Softwaretool, das GMN auf Basis mehrerer gängiger Programme selbst entwickelt hat. Mit ihm kann das Unternehmen für ein bestimmtes Set an Vorgaben schnell eine große Menge an Varianten erzeugen, deren Verhalten simulieren, intensiv untersuchen und für den Kunden visualisieren. Etwa drei Jahre lang waren die GMN-Programmierer damit beschäftigt, seit 2012 wird die Software genutzt. Bevor sie zum Einsatz kommt, stehen ausführliche Gespräche mit dem Auftraggeber auf der Tagesordnung: Anhand eines Fragenkatalogs versuchen die Konstrukteure, den Bedarf möglichst exakt zu ermitteln. Dabei interessiert sie nicht nur, welche Maßvorgaben es gibt und welche Drehzahlen und Drehmomente der Kunde erwartet. Sondern auch, wie und mit welcher Steuerung der Motor betrieben werden soll, welche Umgebungstemperaturen herrschen und welche Kühlung möglich ist. Zudem legt der Kunde die wichtigsten Optimierungsparameter und deren Gewichtung fest. AUF DAS GESAMTPAKET KOMMT ES AN „Manchmal müssen wir überhöhte Erwartungen etwas dämpfen“, sagt Schnüttgen. „Vielfach wird auf dem Markt mit Top-Leistungs- 36 DER KONSTRUKTEUR ASB/2018

werten von Motoren geworben, die diese lediglich kurz oder nur unter eng definierten Bedingungen erfüllen.“ Mitunter entsteht so eine Erwartungshaltung, die leider nicht immer bedient werden kann. Denn eine Übertragung solcher Peak-Werte auf den Dauerbetrieb ist aufgrund der Motorerwärmung nicht zulässig. Wenn der Kunde permanent Leistungsspitzen abrufen möchte, dann muss er in solchen Fällen mit einem größeren Modell zurechtkommen. Bei Fahrantrieben ist beispielsweise ein geringes Gewicht besonders wichtig, gleichzeitig soll die Peak-Leistung möglichst hoch sein. Damit kann GMN dienen, verspricht Schnüttgen: „Hier gilt es, die Performance über das gesamte Fahrspiel zu betrachten. Unsere technischen Schwerpunkte hohe Drehzahl, optimale Wasserkühlung und die Optimierung auf eine hohe Leistungsdichte helfen uns, Gewicht und Volumen des Motors klein zu halten.“ „Besonders gefragt ist bei unseren Kunden die Optimierung der Leistungsdichte, der Spannungsgüte oder des Verhältnisses von Torque per Ampere. Daneben spielen die Energieeffizienz und das Gewicht des Antriebs eine Rolle. Andere Werte – wie das Rastmoment – optimieren wir standardmäßig“, ergänzt Schnüttgen. ANALYTISCHE RECHENVERFAHREN UND FEM KOMBINIERT Auf Grundlage der Kundenanforderungen beginnen die Konstrukteure ihre Arbeit mit dem ersten Tool, einem Variantengenerator. 700 bis 800 Geometrievarianten des Motors erstellen sie mit dessen Hilfe, die alle auf den Vorgaben des Kunden basieren. „Dieser Variantenpool, der die Basis für den Optimierungsprozess bildet, wird in den nachfolgenden Schritten strukturiert und gefiltert“, erläutert Schnüttgen. „Dabei gehen wir von schnellen und detailarmen zu aufwändigen und exakten Verfahren über. So ermitteln wir rasch alle interessanten Typen und halten die Projektzeit kurz.“ Mit analytischen Rechenmethoden untersucht das Unternehmen den kompletten Variantenpool und ermittelt, wo sich die Optima befinden. Im Laufe von ein, zwei Wochen kristallisieren sich dabei typischerweise vier bis fünf Favoriten heraus, die den Zielvorgaben besonders gut entsprechen. „Diese präsentieren wir dann dem Kunden“, so Schnüttgen. Somit können sich beide Seiten bereits kurz nach Projektstart sehr konkret über Motorgeometrien unterhalten. Will der Auftraggeber seine Vorgaben nach der Vorauswahl neu gewichten, hat GMN seine Variantenliste und damit mögliche Alternativen griffbereit. Gibt es keine Änderungswünsche, entwickeln die Konstrukteure die vorgemerkten Motorversionen bis ins Detail. Mittels FEM-Analysen prüfen sie sie innerhalb von wenigen Wochen auf Herz und Nieren. Hierbei kann das Team mit seinem Tool 440 000 Nm 01 01 Die zur Auswahl stehenden Motorversionen untersucht GMN zuerst mit schnellen, detailarmen Rechenverfahren und je weiter der Prozess voranschreitet, desto exakter und aufwändiger werden die Analysen