ANTRIEBSELEMENTE UND SOFTWARE LEICHTBAU MIT BISS Bei der Konstruktion eines mobilen Befahrsystems zur Wartung von Windkraftanlagen spielte das Gewicht eine zentrale Rolle. Speziell angepasste Zahnriementriebe haben den nötigen Biss, um die komplexe Bewegungsaufgabe der Arbeitskammer mit Leichtigkeit zu lösen. PRODUKTE UND ANWENDUNGEN Mit einer Einspeisung von 100 Terrawatt aus Onshore- Windenergieanlagen lag 2018 die Erzeugung umweltfreundlichen Stroms aus der Windkraft auf Platz zwei noch vor der Atomenergie und der Steinkohle. Die rechnerische Lebensdauer von 20 Jahren übersteht die Technik aber nicht ohne Servicemaßnahmen und Reparaturen. Vor allem die aus glasfaserverstärktem Kunststoff bestehenden Rotorblätter leiden unter Erosion, Blitzeinschlägen und Rissbildungen aufgrund der hohen Wechsellasten. In Deutschland werden die Rotorblätter bislang in der Regel alle zwei Jahre von Servicetechnikern mit der Seiltechnik inspiziert. „Eine Reparatur am Seil hat sich jedoch nicht bewährt und eine fachgerechte Laminatreparatur aus dem Seil heraus ist eigentlich nicht machbar“, weiß Ole Renner, einer der beiden Geschäftsführer von WP Systems, einem Unternehmen, das sich auf die Instandhaltung von Rotorblättern und den Rückbau von Windenergieanlagen spezialisiert hat. Er ergänzt: „Der Trend geht hin zu mobilen Befahranlagen. Stand der Technik sind heute offene Befahranlagen, d. h. offene Gestelle, die stark an mobile Arbeitsbühnen erinnern.“ Mit diesen einfachen Befahranlagen können die Servicetechniker die Rotorblätter schleifen, mit Polyesterharz laminieren und mit Autor: Jochen Krismeyer, freier Fachjournalist für Antriebs- und Automatisierungstechnik, Nürnberg dem Coating versiegeln. Das Problem: Für die Verarbeitung der Laminate und der Harze darf es so gut wie nicht regnen und die Temperatur darf nicht unter 12 °C liegen. Bei Windgeschwindigkeiten über 12 m/s kann ebenso keine Reparatur durchgeführt werden. Diese drei Faktoren schränken die bislang möglichen Servicetage laut Renner durchschnittlich je nach Standort auf nur 60 bis maximal 100 Tage im Jahr ein. Er erklärt: „Das hat unsere statis tische Analyse der Wetterdaten für mehrere Windparks ergeben. Für die Branche ist dieses Saisongeschäft mit allein 30 000 Anlagen in Deutschland eine sehr große Herausforderung.“ DAS KONZEPT Das brachte Renner und weitere Spezialisten auf eine Idee, die dann auch zur Gründung der WP Systems GmbH führte. Holger Müller, langjähriger Experte auf dem Gebiet der Windenergie und zweiter Geschäftsführer von WP Systems erklärt das Konzept: „Unser Ansatz war es, ein komplettes System zu entwickeln, mit dem ein ganzjähriges Geschäft am Rotorblatt möglich wird. Das setzt nicht nur eine, sondern gleich mehrere Innovationen voraus: Für eine trockene Umgebung der Reparaturstelle muss die Befahranlage das Rotorblatt wasserdicht umschließen können. Darüber hinaus muss sich der Mechanismus an unterschiedliche Konturen und Querschnitte anpassen lassen. Eine Lösung für die Verarbeitung des Harzes bei niedrigen Temperaturen muss gefunden werden. Die Befahranlage soll mit üblichen Tandem-Achs-Trailern trans- 56 DER KONSTRUKTEUR ASB/2019
portierbar sein. Damit ist das Gewicht von Trailer und Befahr anlage auf 3,5 Tonnen beschränkt.“ Mit diesem anspruchsvollen Ziel vor Augen gründete ein interdisziplinäres Team dichtet den verbleibenden Spalt zwischen Blenden und Rotorblatt ab. Damit sind Reparaturen nun auch bei Regen gut durchführbar. Um das Harz auch an Tagen mit Temperaturen unter 12 °C verarbeiten EIN SYSTEMATISCHER VERGLEICH MÖGLICHER ANTRIEBSARTEN ZEIGTE SCHNELL DAS LEICHT- BAUPOTENZIAL DES ZAHNRIEMENTRIEBS Von oben die Trends erkennen aus Maschinenbauern, Werkstoff- und Leichtbau-Experten sowie Spezialisten für Simulationen 2015 die WP Systems GmbH. DIE KONSTRUKTIVE LÖSUNG Innerhalb weniger Jahre setzte das junge Team mit dem System terra 1.1 sämtliche Anforderungen um. Es erhielt sogar eine Zulassung für Nachteinsätze. Eigentlich ist die neuartige Befahr anlage eine mobile Werkstatt. Sie besteht aus einer Aluminium-Leichtbaustruktur, die mit Planen und Türen zu einer winddichten Arbeitskammer verschlossen werden kann und mit allem Nötigen wie Strom, Licht, Werkzeug und Reparaturmaterial ausgerüstet ist. Um die Lücke zwischen dem Rotorblatt und dem Boden bzw. der Decke flexibel überbrücken zu können, wurden verschiebbare Blenden entwickelt, die der aerodynamischen Kontur der Rotorblätter angepasst sind. Sie lassen sich bis auf wenige Zentimeter nah an jedes Rotorblatt positionieren. Eine Gummiplane mit Saugnäpfen zu können, verwenden die Entwickler bei WP Systems zum Aufheizen der Reparaturstelle Infrarotstrahler. Innerhalb weniger Minuten sind so – auch bei sehr niedrigen Außen temperaturen – über 30 °C erreicht. Polyesterharz und Härter werden außerdem in einer beheizbaren Transportbox gelagert, sodass die Temperaturkette niemals unterbrochen wird. Derart präpariert sind nun auch Reparatureinsätze dauerhaft bis 0 °C, kurzzeitig auch bis – 10 °C möglich. DIE BEWEGUNG DER ARBEITSKAMMER Für die Positionsänderung der Kammer am Rotorblatt entlang mussten hauptsächlich drei Bewegungen realisiert werden: die Höhenverstellung mittels Seilwinden, die Bewegung und Abstützung zum Turm mittels Abdruckrahmen und die Drehung der Kammer um ihre Hochachse, um der Kontur des Rotorblattes optimal folgen zu können. Um die Drehung der Kammer Im entscheidenden Moment höchste Leistungskraft entfalten: Das gelingt Ihren Maschinen und Produktionsprozessen mit integrierter Antriebs- oder Hebetechnik der Marke Pfaff-silberblau. Denn Qualität und Präzision sind unser Beitrag zu Ihrem Erfolg. 01 Der 15,5 m lange Abdruckrahmen besteht aus mehreren Segmenten; gut, dass der ebenso lange Zahnriemen einfach auf- und abgerollt werden kann und mit einem Klicksystem in Windeseile montiert ist COLUMBUS McKINNON Engineered Products GmbH Am Silberpark 2- 8 86438 Kissing www.pfaff-silberblau.com
19073 SONDERAUSGABE 2019 ANTREIBEN
EDITORIAL SPRACHE IST NICHT NUR MEN
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